Ausstellungen
In der Kunstwelt zuhause – Johan Holten im Interview
Für den neuen Direktor der Kunsthalle Mannheim, der Anfang September als Nachfolger von Ulrike Lorenz die Leitung des Hauses übernahm, fühlt sich der Amtsantritt „fast wie ein Nach-Hause-Kommen“ an. Im Interview mit dem geborenen Kopenhagener beschleicht uns jedoch der Verdacht, dass Johan Holten weniger an einem bestimmten konkreten Ort, sondern vor allem in der Kunstwelt generell zuhause ist... Im Gespräch berichtet er von seinem Werdegang und dem zukünftigen Programm der neuen Kunsthalle.
Delta im Quadrat: Herr Holten, können Sie sich und Ihren Werdegang kurz vorstellen?
Johan Holten: Ich komme an die Kunsthalle Mannheim von der Kunsthalle Baden-Baden, die doch eine etwas kleinere Institution ist. Dort war ich die letzten acht Jahre als Direktor tätig. Mannheim ist nun ein viel größeres Haus, mit einer komplexen, schönen, aber auch herausfordernden Aufgabe. Ich kenne die Region hier gut, denn ich war früher ab 2006 als Direktor im Heidelberger Kunstverein tätig. Deshalb ist das für mich ein bisschen wie nach Hause kommen, obwohl ich ursprünglich gar nicht aus dieser Region stamme. Viele Menschen, die ich seit so vielen Jahren nicht mehr gesehen habe und viele Menschen, die ich neu kennengelernt habe, haben diese „Rückkehr“ zu einem besonderen Erlebnis gemacht. Studiert habe ich in Berlin an der Humboldt-Universität, nachdem ich in Hamburg vier Jahre lang als Ballett-Tänzer angestellt war.
DiQ: Auf welche Projekte aus Ihrer Vergangenheit sind Sie besonders stolz?
JH: In Baden-Baden ist es mir gelungen, ein bundesweites Presseecho zu erzeugen. Wir haben den Stadtraum von Baden-Baden und die Institutionen direkt in der Umgebung genutzt. So haben wir beispielsweise mit Hotels vor Ort eine große Ausstellung gemacht. Das war Kunst, die mit der Stadt spielte und viel Interesse hervorgerufen hat. Inhaltlich noch interessanter war die Ausstellung „Gutes böses Geld“, die wir mit dem Casino Baden-Baden gemacht haben. In ihr ging es um eine visuelle Geschichte der Ökonomie. Natürlich bin ich jedoch auf das gesamte Programm in Baden-Baden sehr stolz.
DiQ: Wie sieht ein klassischer Arbeitsalltag von Ihnen aus?
JH: In den Phasen, in denen neue Ausstellungen aufgebaut werden, ist es mir wichtig, nah am Geschehen zu sein. Ich möchte dabei sein und laufe auch oft durch das Museum, um die Räume zu spüren. Da kommt meine Bühnenvergangenheit wieder hervor – Räume sind für mich keine statische Einheit. Ich laufe sie gerne ab, um zu sehen, wie Räume funktionieren oder nicht. Natürlich gehört auch eine gewaltige Administration dazu, eine städtische Einrichtung wie die Kunsthalle Mannheim zu leiten. Deshalb verbringe ich auch einige Stunden am Tag in Besprechungen. Daneben gibt es viele Tage, an denen ich gar nicht in Mannheim bin. Ich muss raus, Künstler kennenlernen, Ateliers besuchen, Ausstellungen ansehen, mich mit Kollegen besprechen, in Gremien mitwirken, Kulturpolitik machen... So ist ein großer Teil meiner Arbeit gar nicht an die Kunsthalle gebunden, sondern an die Kollegenschaft in ganz Europa und darüber hinaus.
DiQ: Welche neuen Ideen und Konzepte möchten Sie in der Kunsthalle Mannheim umsetzen?
JH: Eigentlich stand das komplette Programm für das Jahr 2020 schon, doch dann ist im Mai 2020 eine Lücke entstanden, die ich programmatisch mit einem künstlerischen „Umbau“ füllen möchte; dem physischen Umbau wird eine inhaltliche Komponente an die Seite gestellt. Ich möchte mit drei verschiedenen Bildhauerinnen aus drei verschiedenen Kontinenten einen globalisierten Ansatz zeigen, weil ich glaube, dass wir auf die momentanen gesellschaftlichen Veränderungen reagieren müssen. Der Umbau geht in diesem Sinne in Richtung eines diversifizierteren, globalisierten Programms. Dafür ist die Stadt Mannheim mit ihren sehr heterogenen Identitätsmilieus optimal geeignet.
DiQ: Was können Sie unseren Lesern über die kommenden Ausstellungen verraten, speziell auch über die große Matisse-Ausstellung, die zum Zeitpunkt des Interviews ja kurz vor ihrer Eröffnung steht?
JH: Die Ausstellung „Inspiration Matisse“ ist eine wundervolle Herausforderung für unser Haus mit einer unglaublichen logistischen Leistung. Die teuren Kunstwerkewerden aus aller Welt eingeflogen, wodurch wir natürlich alle unter Strom stehen,schließlich ist diese Ausstellung in ihrer Größe einmalig für die Kunsthalle. Jeder Aufbautag muss wie am Schnürchen laufen, da ist alles streng getaktet. Es ist ein großes Ereignis, dass wir so viele Kunstwerke von so vielen Museen und Privatsammlungen weltweit ausleihen können. Wir hoffen, dass Mannheim und die Region die Ausstellung bei der Eröffnung am 26.09. mit uns feiern und sich über die Bilder, die als Publikumslieblinge gelten, freuen werden. Aber, das ist auch klar, eine solche Ausstellung ist nichts, was man alle drei Monate aus dem Ärmel schüttelnkann. Das ist finanziell eine sehr teure Unternehmung, die große Unterstützungvon Sponsoren, Stiftern und öffentlicher Hand benötigt. Im Februar 2020 sind wir dann Teil der Foto-Biennale, da zeigen wir eine wunderbare Einzelausstellung des frühen amerikanischen Fotografen Walker Evans. Da ich an der Konzeption der ersten kuratierten Foto-Biennale beteiligt war, freue ich mich auf diese Ausstellung ganz besonders! Im Mai mache ich dann wie gesagt meine erste große eigene Präsentation, bis im September des nächsten Jahres eine Anselm-Kiefer-Ausstellung ansteht.