Menschen – Fotokunst aus der Sammlung Braus

Ab Mitte März ist im Kurpfälzischen Museum Heidelberg bis in den Sommer hinein ein Querschnitt durch nationales und internationales fotografisches Schaffen zu sehen. Gezeigt werden 200 Fotografien aus der Sammlung Braus. Teils in Schwarzweiß, teils in Farbe präsentieren sie eine Vielfalt an Motiven und zugleich die Vielseitigkeit des fotografischen Blicks, der einen Moment auf künstlerische Weise festhält. Delta im Quadrat sprach im Vorfeld der Ausstellung mit dem Sammler Günter Braus. 

Delta im Quadrat: Herr Braus, wie und warum sind Sie überhaupt zum Sammler geworden? Und warum wurde es die Fotokunst und keine Gemälde? 

Günter Braus: Wer ernsthaft und nachhaltig sammelt, wird zu den gesammelten Objekten eine Beziehung haben, die auf Interesse, Empathie und Kenntnis basiert. Ich selbst hatte schon als 14-Jähriger dieses Hingezogensein zur Fotografie, was sich in SW-Fotos meiner damaligen Heimat am Bodensee niederschlug – sicherlich beeinflusst von dem großen Fotografen Siegfried Lauterwasser aus Überlingen. Während meines Studiums in München freundete ich mich mit dem Fotografen Thomas Lüttge an, dem ich bei Bedarf assistierte und dessen Labor ich zum Filmeentwickeln und zum Vergrößern der Negative nutzte. Durch meine Arbeit in Heidelberg in Druckerei und Verlag wurde ich mit den Arbeiten vieler Fotografen konfrontiert, was in editorische und redaktionelle Arbeit für die Bücher der Edition Braus mündete. Mein Interesse, mich als Hobbyfotograf zu beschäftigen, erlahmte, dafür aber entwickelte sich mein Interesse dafür, Arbeiten der professionellen Fotografen zu erwerben und zu sammeln, mit denen ich zu tun hatte. Es wurde für mich sehr schnell klar, dass ich mich als Sammler auf die Fotografie konzentrierte. Meiner Frau, selbst Künstlerin, überließ ich es, Gemälde und Kunstwerke zu sammeln.

DiQ: Wie kam es zu dieser Ausstellung im Kurpfälzischen Museum? Können Sie uns etwas über die Idee dahinter erzählen? 

GB: Diese Frage sollten Sie dem Direktor des Kurpfälzischen Museums stellen, der von meiner Sammlung wusste, und eines Tages nachfragte, ob ich mir vorstellen könnte, aus meiner Sammlung eine Ausstellung zum Thema „Menschen“ zu generieren und zu gestalten.

DiQ: Welche Künstler kommen in Ihrer Sammlung zusammen, über welchen Zeitraum und welche Stile spannen sich die Bilder? 

GB: Das Sammeln begann mit dem Erwerb von Fotografien der Autoren, mit denen ich als Verleger zusammengearbeitet habe und Bücher publizierte. Dabei gewann ich teilweise sehr profunde Kenntnisse über das Œuvre der Fotografinnen und Fotografen, und dies erlaubte mir, für meine Sammlung die Motive zu erwerben, die mich am meisten faszinierten. Erst viel später begann ich dann auch auf Messen, in Galerien und Auktionen Fotografien zu erwerben, zu denen es mich besonders hinzog oder die inhaltlich oder formal die Sammlung bereicherten. Der Zeitraum der gesammelten Bilder liegt in der Zeit von 1930 bis 2017, der Beginn meiner Sammeltätigkeit etwa ab 1980. Stile oder Genres beeinflussen mein Sammeln weniger, aber umso mehr Aussage, Botschaft und Qualität einer Fotografie. Fast alle Sparten der Fotografie sind vertreten – Reportage, Portrait, inszenierte Fotografie, Mode, Erotik, Architektur, Landschaft, Stillife –, wobei mein Interesse an Reportagefotografien und Bildern vom Menschen dominiert.

DiQ: Der Titel „Menschen“ gibt so ja auch schon eine Richtung für die Ausstellung vor – steht auf allen Bildern der Mensch im Fokus? Wie haben Sie die Auswahl getroffen und inwieweit spielen da auch persönliche Kontakte zu den Fotografen, den „Menschen hinter den Bildern“, eine Rolle? 

GB: Ja, zentrales Thema der Ausstellung und der Sammlung ist der Mensch, in vielen Variationen, in allen Höhen, Tiefen, Freuden und Leiden menschlichen Daseins. Die Auswahl aus meiner Sammlung von ca. 1000 Fotografien haben Dr. Hepp und Frau Pecht vom Kurpfälzischen Museum sowie ich selbst getroffen. Erstes Kriterium war immer die Qualität der Fotografie und weniger Name oder Bekanntheit der Autoren. Zu vielen dieser Autoren entstand für mich durch die verlegerische Zusammenarbeit eine enge Beziehung bis hin zu Freundschaften.

DiQ: Aus dem Fotofestival Mannheim-Ludwigshafen-Heidelberg wurde letztes Jahr die erste „Biennale für aktuelle Fotografie“, die Fotokunst hat im Rhein-Neckar-Delta eine ziemlich stabile Vertretung. Warum, glauben Sie, ist das so? Was macht den Reiz speziell von Fotos aus? 

GB: Der Rhein-Neckar-Raum ist wirtschaftlich und kulturell eine starke Region mit großer Historie, geprägt durch eine liberale und kosmopolitische Bevölkerung und herausragend auch durch zwei der bedeutendsten Universitäten Deutschlands in Mannheim und Heidelberg. Wo, wenn nicht hier entsteht und gedeiht der Humus für das Medium Fotografie? Der Reiz von Fotografien? Vielleicht die Fähigkeit, uns wenigstens in Teilen zu vermitteln, was die Welt im Innersten zusammenhält und was und wer wir sind, der Homo sapiens...

DiQ: Welches Motiv der Ausstellung ist denn Ihr persönlicher Favorit – und warum?

GB: Schwer für mich zu beantworten, da ich viele Lieblinge habe: Anselm Spring, „99 cents“, William Klein, „Hammam“, Thomas Höpker, „Militärakademie“, Barbara Klemm, „Leipzig“, Jan Saudek, „November 89“, Hermann Försterling, „Dorian“, Sergey Maximishin, „Putin“, Martin Grothmaak, „La Traviata“, Janos Stekovicz, „Die Junggesellen“ und viele mehr...

DiQ: Und mit wie viel Kunst umgeben Sie sich im Alltag? Hängen bei Ihnen immer die gleichen Bilder, wechseln Sie durch oder ist die Sammlung vor allem ein Archiv? 

GB: Unser Haus hängt voller Bilder: Kunst und Fotografie, auch in wechselnder Folge und Hängung. Aber fast 1000 Fotografien können nicht alle hängen. Daher freut es mich, dass meine Tochter Katharina und mein Sohn Jonas die Freude an Fotografie und die Lust am Sammeln mit mir teilen. Und ebenso freut es mich und meine Frau, dass einige meiner gesammelten Bilder durch die Ausstellung hier in Heidelberg nicht in den Regalen schlummern, sondern wenigstens temporär im Museum an der Wand hängen und betrachtet und reflektiert werden können.