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Bühne

Der Mannheimer Sommer

30.07.-05.08., Mo-Fr 19.30 Uhr, Sa 15+19.30 Uhr, So 14.30+18.30 Uhr, Opernhaus, Nationaltheater Mannheim,  VVK: www.bb-promotion.com

Sommerzeit ist auch in Mannheim Kulturzeit – und zwar in einem ganz besonderen Format: Hinter dem „Mannheimer Sommer“ am Nationaltheater verbirgt sich im Juli das üppig bestückte „Europäische Festival für Musik und Theater von Mozart bis heute“. Und was das konkret heißt? Darüber erzählt Jan Dvořák, der Künstlerische Leiter des Festivals, im Interview mit Delta im Quadrat. 

DiQ: Was, wann, wo – können Sie uns zuallererst einmal den „Mannheimer Sommer“, seine Eckdaten und die Spielorte in Kürze vorstellen? 

Jan Dvorák: Ja, das ist gar nicht so leicht, denn es ist wirklich ein sehr reiches, üppiges Angebot! Wir spielen vom 12. bis 22. Juli 2018, also an elf Tagen und zehn Nächten, insgesamt 55 Veranstaltungen an 13 verschiedenen Spielorten vom Schwetzinger Schloss über die Bühnen des NTM bis hin zum leerstehenden Laden oder zur Kantine des Collini-Centers. Beteiligt sind Künstler aus zehn Ländern, wobei Ausführende in Ensemble, Chor und Orchester noch gar nicht mitgerechnet sind. Es gibt zwölf neue Eigenproduktionen von der Soloperformance bis zur großen Oper, fünf internationale Gastspiele, 23 Konzerte – mit insgesamt 20 verschiedenen Komponisten. Durch die beteiligten Chöre und Orchester kommen wir auf insgesamt 900 Mitwirkende! Und es gibt ein tolles Festivalzentrum direkt vor dem Theater.

DiQ: Was früher „Mozartsommer“ hieß, wird erstmals zum „Mannheimer Sommer“. Wie kam es zu dieser Veränderung? 

JD: 2007, als das Festival gegründet wurde, lebten wir gewissermaßen noch in einer ganz anderen Welt. Mozarts Zeit wirkte damals wie eine museale, seit langem abgeschlossene Epoche. Heute werden die Errungenschaften dieser Epoche plötzlich von verschiedener Seite in Frage gestellt: Menschenrechte, Demokratie, Aufklärung, Kunstfreiheit. Anders als im Repertoire können wir im Festival schneller auf diese Dinge reagieren. Der geänderte Name soll insofern ein deutliches Zeichen senden, dass wir das Programm des Festivals stärker an der Gegenwart ausrichten wollen.

DiQ: Das heißt aber nun sicherlich nicht, dass Mozart ganz außen vor bleibt?! 

JD: Überhaupt nicht. Mozart bleibt für unser Festival der inspirierende „Genius loci“, schließlich hat er in Mannheim extrem wichtige Impulse für sein ganzes Leben erhalten. Neun unserer Produktionen beschäftigen sich ganz direkt mit ihm und seinem Werk. Das reicht von „Don Giovanni“ im Großen Haus mit GMD Alexander Soddy und in der Regie der Russin Ekaterina Vasileva, die wir in unserem internationalen Regiewettbewerb gefunden haben, über die „Entführung aus dem Serail“ mit afrikanischen Performern bis hin zu einer Solo-Performance im Bunker unter dem Theater.

DiQ: Das Symbol ist die Sonne, die Aufforderung wünscht: „Lasst euch erleuchten!“ –  vom Mozart zur europäischen Idee ist es, wenn man auf den Spuren der Aufklärung wandelt, gar kein so großer Schritt, oder? 

JD: Gar nicht. In Mozarts Bibliothek standen fast nur aufklärerische und wissenschaftliche Schriften. Seine großen Opern sind durchdrungen von der Beschäftigung mit den neuen Ideen – im Guten wie im Schlechten. Wir müssen uns dieses Erbes annehmen und es zeitgemäß weiterentwickeln.

DiQ: Wie wird der europäische Gedanke im Festival gepflegt? 

JD: Einerseits betreiben wir auf dem Festivalgelände einen geheimen „Salon des Lumières“, in dem allabendlich die Schicksalsfragen unseres Kontinents diskutiert werden. Anderseits haben wir mit dem Unterwasserkonzert „Aquasonic“ aus Dänemark, mit Kagels „Zwei-Mann-Orchester“ und „Lamento“ aus der Schweiz sowie der „School of Narrative Dance“ und den „Cosmonauti russi“ aus Italien starke internationale Gastspiele im Programm. Bei dem letzten Projekt, einem großen futuristischen Jazz-Oratorium von Battista Lena, kommt sogar eine 40-köpfige italienische Blaskapelle angereist und verbindet sich mit der Mannheimer Bläserphilharmonie.

DiQ: Wer macht sonst noch mit? Von Projekten mit Mannheimer Bürgern über Eigenproduktionen des Nationaltheaters bis hin zu Gastspielen ist manches ganz lokal und anderes international... 

JD: Ja, das ist ganz wichtig! Neben den großen Gastspielen und Konzerten haben wir mit dem „Mannheim Requiem“ auch unseren Bürgerchor an Bord. Und bei der eben erwähnten „School of Narrative Dance“ handelt es sich um eine inszenierte Parade von der Kunsthalle bis zum Theater – da können sich Mannheimer Vereine, Chöre oder Gruppen immer noch bewerben...

DiQ: Klassische Oper versus Musiktheater – wie hat sich das Bindeglied zwischen Schauspiel und Musik seit Mozarts Zeiten entwickelt und wie zeigt sich diese Entwicklung im Festivalprogramm? 

JD: Mozart selbst war mit seinen Singspielen und besonders mit seiner „Zauberflöte“ selbst sehr innovativ im Bereich zwischen Oper und Schauspiel unterwegs. Das Festival bietet uns die einmalige Chance, aus dem Korsett des klassischen Opernrepertoires auszubrechen und die ganze Fülle zeitgenössischen Musiktheaters zu präsentieren. Das ist schon sehr lustvoll.

DiQ: Inwieweit überschreitet das Festival auch die Genregrenzen? Schon die Eröffnungsparade startet ja in der Kunsthalle und verbindet jene mit dem Nationaltheater... 

JD: Dieser bürgerschaftliche Marsch von der Bildendenden zur Darstellenden Kunst ist für mich sehr symbolisch. Wenn wir ehrlich sind, sind viele Genregrenzen auch gesellschaftliche und sogar ethnische Grenzen. Diese Grenzen wollen wir zum Tanzen bringen.

DiQ: Im Programm findet sich auch sehr Erstaunliches, beispielsweise „Aquasonic“ mit Musikern, die in ein Aquarium abtauchen und unter Wasser das Hydraulophon und andere Instrumente spielen. Was gibt es sonst noch an ausdrücklichen Empfehlungen für alle, die das Ungewöhnliche lieben? 

JD: Das ist sicher eines der spektakulärsten Projekte in dieser Hinsicht, mit einer jahrelangen Entwicklungszeit. Ich kann vielleicht noch Felix Kubins Beschäftigung mit dem Orpheus-Mythos empfehlen. Er ist einer der originellsten Künstler, die ich kenne, in einem wirklich ungehörten Bereich zwischen Neuer Deutscher Welle, Elektronik, Neuer Musik, Hörspiel, Jazz und Schauspiel.

DiQ: Welche Highlights „drumherum“ sind in diesen zehn Tagen geboten? Vor dem Nationaltheater sorgt das Festivalzentrum als „Museum des Lichts“ für Erhellung, im Theatercafé eröffnet der „Salon des Lumières“ – was darf man sich darunter vorstellen?

JD: Der Salon ist nicht nur eine Geheimgesellschaft, wie ich sagte. Er bietet auch an acht Abenden freie Konzerte im Theatercafé mit den Künstlern der großen Produktionen. Das Festivalzentrum  „Museum des Lichts“ verwandelt die Straßenecke vor dem Theater in einen neobarocken Prachtgarten, in dem ebenfalls kulinarische und musikalische Einlagen das Publikum erfreuen werden. Da lohnt es sich, einfach so seine Abende zu verbringen! Wir wollen das Festival wirklich als eine Feier in schwierigen Zeiten begreifen, die unsere Freiheiten lustvoll ins Gedächtnis ruft. Vielleicht ist es dann leichter, den Unkenrufen von Nationalisten, Populisten und sonstigen Untergangsaposteln zu widerstehen.

 

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