Bühne
Theater Heidelberg: „Winter in Schwetzingen“
Winter ist überall, doch in Schwetzingen kommt er in besonders klangvollem Gewand daher: Seit Anfang November füllt das Barock-Fest das Rokokotheater im Schloss Schwetzingen mit erstklassiger Musik. Mitverantwortlich für das Programm ist Thomas Böckstiegel – im Interview gibt er Einblicke in seine Arbeit, das Festival und das Programm.
Delta im Quadrat, Beate Schittenhelm: Herr Böckstiegel, können Sie sich zuallererst einmal kurz vorstellen? Was ist Ihre Aufgabe am Theater Heidelberg?
Thomas Böckstiegel: Als Operndirektor leite ich gemeinsam mit meiner Kollegin Ulrike Schumann die Musiktheater-Sparte und das Barock-Fest „Winter in Schwetzingen“. Nach meinem musikwissenschaftlichen Studium habe ich in der Leitung verschiedener Theater und Festivals gearbeitet. Die Programmatik für Heidelberg und Schwetzingen entwickeln wir in Teamwork. Als Spezialist für Operngesang bin ich ständig auf der Suche nach schönen Stimmen und starken Darstellerinnen und Darstellern für unsere Stücke und Konzerte.
DiQ: Und als zweites – in welchen Worten würden Sie den „Winter in Schwetzingen“ vorstellen?
TB: Das Festival „Winter in Schwetzingen“ gibt es nun im 15. Jahr. Hier präsentieren wir jährlich vergessene Meisterwerke der barocken Musikliteratur. Opernraritäten, welche oft mehrere hundert Jahre nicht gespielt wurden und ein vielfältiges Konzertprogramm mit den Stars und Sternchen der Barockmusik-Szene lassen die Herzen der Musikliebhaberinnen und Liebhaber im bezaubernden Ambiente der kurfürstlichen Sommerresidenz und dem Rokokotheater Schwetzingen Jahr für Jahr höher schlagen.
DiQ: Das ist jetzt schon der zweite Winter unter Pandemiebedingungen. Was konnte vom letzten Winter in diesen hinübergerettet werden, was ist neu und wie gehen Sie mit den Unsicherheiten bei der Planung um?
TB: Da alle Programmpunkte, die wir für den vergangenen Winter angekündigt hatten und leider aus bekannten Gründen nicht zeigen konnten, stark nachgefragt waren, haben wir uns entschlossen, sämtliche Künstlerinnen und Künstler erneut einzuladen. Glücklicherweise ist dies auch terminlich gelungen, weswegen unserem werten Publikum kein Konzert entgeht, auf das es sich bereits gefreut hat.
DiQ: Welche Aufführung steht 2021/22 im Zentrum des Festivals?
TB: Mit dem barocken Musiktheater-Abend „Was frag ich nach der Welt!“ führen wir unsere Linie fort, in der wir Raritäten der deutschen Barockmusik präsentieren. Der Barock-Spezialist Clemens Flick als Dirigent und Regisseurin Claudia Isabel Martin haben unter anderem aus dem Alt-Bachischen Archiv wunderschöne Musik deutscher bisher wenig beachteter Komponisten entdeckt, die zu einem emotionsgeladenen Theatererlebnis gepaart wurde, welches das Premierenpublikum und die Presse begeistert hat.
DiQ: Wie findet man eigentlich immer wieder neue Stücke? Schlummern die irgendwo in Schubladen und Archiven und warten darauf, endlich entdeckt zu werden?
TB: Tatsächlich ist es genau so, ja! In verschiedenen Bibliotheken unseres Landes gibt es historische Sammlungen von Noten, die teilweise sogar nur handschriftlich vorliegen und noch nicht verlegt sind, z. B. in Hamburg, Berlin, Weimar, aber auch bei uns in Baden-Württemberg. Hier ist sicherlich auch einiges dabei, was mit gutem Grund in Vergessenheit geraten ist, aber andererseits auch kleine Schätze, die wir uns zur Aufgabe gemacht haben, für unser Publikum auszugraben.
DiQ: Der „Winter in Schwetzingen“ ist ja schon in vollem Gange – was wird in den kommenden Monaten noch geboten? Und wie wird das 15. Jubiläum gewürdigt? Können Sie uns da einen Überblick geben?
TB: Der beliebte Sopran-Countertenor Philipp Mathmann wird uns in die Welt der großen Kastraten Farinelli und Caffarelli entführen (11.12.: „Castrato Wars“). Mit der Lautten-Compagney Berlin gilt es Opernmusik von Johann Philipp Krieger rund um das schönste Thema der Welt zu entdecken (27.01.: „Liebet und geliebet werden“). Und Dirigent Clemens Flick präsentiert eine wahre Neuentdeckung – Liebeslieder für zwei Countertenöre – aus der Feder von David Pohle mit Texten des bedeutenden Dichters Paul Fleming (13.01.: „Fliegt ihr meine Seufzer“). Am 05.02. schauen wir im großen Jubiläumskonzert zurück auf alle Ausgrabungen, die das Barock-Fest in seinem 15-jährigen Bestehen präsentiert hat. Hier gibt es Musik von bekannteren Vertretern wie Vivaldi und Händel bis hin zu Schürmann und anderen weniger geläufigen Komponisten.
DiQ: War es eigentlich Absicht, ein Festival zur Barockmusik in die dunkle Jahreszeit zu legen? Viele Musikwerke aus dem Barock klingen ja wahlweise festlich oder andächtig und sind damit die passende Untermalung von weihnachtlichen Gefühlswelten… dazu dann – wie in Schwetzingen – die entsprechende Kulisse und das Wintermärchen ist perfekt, oder?
TB: Die Palette, die uns barocke Musik schenkt, ist unermesslich und liegt zwischen größter Lebenslust bis hin zu andächtigen, gar melancholischen Stimmungen. Aber gerade im Winter hat der Besuch des Schwetzinger Schlosses seinen ganz besonderen Reiz, der einzigartig mit der barocken Gefühlswelt einhergeht, in die uns die Musik eintauchen lässt, um den Alltag zu vergessen!