Leben im Delta
Bembel-with-Care: Viva la Apfelwein-Revolution!
Eine Erfolgsgeschichte aus der Region bringt ein Produkt mit uralter Tradition in die Moderne – und das Design spielt dabei eine entscheidende Rolle: BEMBEL-WITH-CARE hat es geschafft, den Apfelwein zum Kultgetränk zu machen! Ursprünglich in Mannheim angesiedelt, jetzt im Odenwald, noch näher dran an den Streuobstwiesen, von denen der wichtigste Rohstoff des Apfelweins stammt, ist das Unternehmen ein Musterbeispiel für die Verbindung von inneren und äußeren Werten; von einem guten Produkt, das durch eine gute Verpackung noch besser wird. Früher wurde der Apfelwein im „Bembel“ serviert, dem typischen Keramikkrug. BEMBEL-WITH-CARE füllte das Getränk in eine unverwechselbar gestaltete Dose und gewann damit einen Design-Preis nach dem anderen – und die Gunst der Kunden! Wie es dazu kam und was hinter der Marke steckt, erzählt uns der Firmengründer und Diplom-Designer Benedikt Kuhn.
Delta im Quadrat, Lisa Oswald: Herr Kuhn, für was steht „BEMBEL-WITH-CARE“, welche Bedeutung hat das Logo und wie sind Sie darauf gekommen?
Benedikt Kuhn: BEMBEL-WITH-CARE® steht für Kult, Lebensfreude und für Apfelwein, der einfach Spaß macht. Bei uns verschmilzt ein traditionelles Grundprodukt mit einem modernen, zeitgemäßen Design und einer innovativen Vermarktung. Und wir haben eine Mission: das Kulturgut Apfelwein zu retten und wieder für jüngere Zielgruppen attraktiv zu machen. Man muss wissen, dass nach der Jahrtausendwende in Deutschland kaum noch Apfelwein getrunken wurde. Hierzu vielleicht ein kleiner Vergleich: Der Pro-Kopf-Bierkonsum im Jahr 2008 lag bei durchschnittlich 120 Litern, bei Apfelwein waren es gerade einmal 0,8 Liter, also wirklich sehr wenig. An mir hat das bestimmt nicht gelegen, denn ich selbst war – und bin immer noch – leidenschaftlicher Apfelweintrinker. Ich habe mich immer gewundert, warum dieses tolle Produkt in den meisten Regionen überhaupt keine Rolle spielt. Allerdings habe ich auch schnell verstanden, dass die Art und Weise, wie Apfelwein vermarktet wurde, die junge Generation überhaupt nicht angesprochen hat. Sie haben bestimmt schon einmal die braunen Ein-Liter-Flaschen mit Aquarellbildchen gesehen, in denen Apfelwein typischerweise verkauft wird. Das ist weder cool noch modern und definitiv nichts, mit dem sich jüngere Menschen identifizieren können. Im Rahmen meines Design-Studiums hatten wir dann die Aufgabe, ein visuelles Vermarktungskonzept für ein „totes“ Produkt zu entwickeln und ihm damit neues Leben einzuhauchen. Ich habe mich für den Apfelwein entschieden – und das war der Anfang von BEMBEL-WITH-CARE®. Während des Projektes entstanden der Name, das Logo und die grundlegende Markenidee. Der Markenname leitet sich übrigens vom Englischen „handle with care“ ab und ruft zum sorgsamen Umgang mit dem Kulturgut Apfelwein auf. Bei der Gestaltung des Logos war mein Ziel, Bekanntes mit Unbekanntem zu verbinden und so bewusst für Irritation zu sorgen. Das heißt, man schaut das Logo an und es kommt einem irgendwie bekannt vor – auch wenn man es vorher noch nie gesehen hat. Im Detail wirkt es dann allerdings wieder neu und frisch. Das zerbrochene Glas steht für die fragile Apfelweinkultur. Der Bembel ist der traditionelle Apfelweinkrug und steht sinnbildlich für den Apfelwein. Und die beiden Pfeile bedeuten „aufrecht stellen“ und zeigen, dass es jetzt mit der Apfelweinkultur steil nach oben geht.
DiQ: Wie lange gibt es BWC und wo kann man es kaufen?
BK: Die Marke gibt es jetzt seit exakt zehn Jahren. Wobei man sagen muss, dass es zuerst eine Marke mit einer ambitionierten Mission, einem Logo und ein paar Merchandising-Artikeln war. Der Apfelwein selbst kam erst 2008, als ich mit der Traditionskelterei Krämer in Reichelsheim den perfekten Partner gefunden hatte. Denn was ich wollte, war ein milder und naturbelassener Apfelwein aus Streuobst – also aus den alten Apfelsorten, wie sie bei uns im Odenwald wachsen. Außerdem haben wir ein bisschen Kohlensäure hinzugefügt, um den Apfelwein spritziger und frischer zu machen. Vom Trinkgefühl sollte es eher in Richtung Apfelschorle anstatt in Richtung klassischen Wein gehen. Und erst als Geschmack und Qualität perfekt waren, haben wir die ersten Fünf-Liter Fässer auf den Markt gebracht. Die bekannten schwarzen Halbliter-Dosen kamen dann 2009. Auch die drei gemischten Sorten mit Cola, mit Tafelwasser und mit Kirschnektar kamen nach und nach dazu. Und heute finden unsere Apfelwein-Fans die Produkte an ca. 3500 Verkaufsstellen in ganz Deutschland und wir exportieren auch in einige Länder – seit diesem Sommer übrigens auch in die USA.
DiQ: Was haben Sie davor gemacht?
BK: Ich habe eine Ausbildung zum Mediengestalter abgeschlossen und bin seit 2001 Designer. Gearbeitet habe ich unter anderem als Comic-Zeichner und Illustrator in verschiedenen Werbeagenturen. Seit 2003 habe ich meine Brötchen als selbstständiger Designer verdient. Dann habe ich Design an der Hochschule Mannheim studiert. Und dort kam mir dann die Idee mit BEMBEL-WITH-CARE®.
DiQ: Warum haben Sie ausgerechnet die Dose gewählt und keine Flasche?
BK: Als ich mich mit der Frage beschäftigt habe, wie man Apfelwein zeitgemäß vermarkten kann, war mir schnell klar: Die Verpackung muss grundsätzlich anders werden, also weg von den schon beschriebenen braunen Flaschen. Ich wollte etwas grundsätzlich Neues. Und Apfelwein in Getränkedosen gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht – das war also eine echte Weltneuheit. Der zweite wichtige Punkt ist das Thema Design. Dosen lassen sich vollflächig rundum gestalten, wie Litfaßsäulen im Miniaturformat. Bei Flaschen hat man die Etiketten und das war’s. Deshalb bieten Dosen deutlich mehr Spielraum, um sich als Designer auszutoben und ganzheitliche Designs zu entwickeln, die auffallen und im Gedächtnis bleiben. Und dann gibt es auch praktische Gründe: Dosen können nicht zerbrechen und sind deshalb zum Beispiel für Festivals oder andere Events ideal – oder auch für unterwegs. Schnell gekühlt sind sie auch. Außerdem haben wir noch den großen Bereich der Logistik, wo die Dosen speziell den Händlern viele Handling-Vorteile bieten – speziell auch beim Export.
DiQ: Wir haben gelesen, dass Sie bereits einen Red Dot Award für Ihre Designs erhalten haben, können Sie uns hierzu ein wenig mehr erzählen?
BK: Ja, die Auszeichnung war eines der Highlights des vergangenen Jahres. Wir haben den Preis in der Kategorie Kommunikationsdesign gewonnen. Was die Jury besonders gut fand, war, dass unser Markendesign unsere Mission – also die Bewahrung des Kulturguts Apfelwein – kreativ und leicht verständlich auf den Punkt bringt. Das Schöne ist, dass der Red Dot ein internationaler Preis ist, mit einer internationalen Jury. Denn mein Ziel war von Anfang an, eine Designsprache zu schaffen, die über Ländergrenzen hinweg attraktiv und universell verständlich ist. Ich glaube, das ist ganz gut gelungen. Das bestätigt sich jetzt übrigens auch in den USA, wo unsere Dosen super ankommen.
DiQ: Was war bisher die größte Auszeichnung für Sie?
BK: Sie meinen für mich als Designer? Da gab es in diesem Jahr einen ganz besonderen Moment. Das international führende Werbemagazin „Lürzer’s Archiv“ hat unser Design unter die 200 aktuell besten Designs weltweit gewählt. Das ist schon eine besondere Ehre. Den meisten wird dieses Magazin nichts sagen, aber es ist sozusagen die heilige Bibel der gesamten Design-Branche. Darum war die Auszeichnung wie ein Ritterschlag für mich.
DiQ: Wie sieht ein klassischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
BK: Oje, wer einen klassischen Arbeitstag sucht, der ist bei uns falsch. Bei uns ist eigentlich nichts klassisch, nicht einmal der Arbeitstag. Meine Tätigkeitsfelder sind eine wilde Mischung aus Konzeption, Design und Strategie, außerdem bin ich viel unterwegs.
DiQ: Welche Trends und Entwicklungen beobachten Sie aktuell in der Designbranche?
BK: Ich beobachte keine Trends. Wir ziehen hier unser Ding durch und sind uns sicher, dass wir damit sehr gut fahren und unsere ganz eigenen Trends setzen können.
DiQ: Stimmt es, dass Sie Ihre Inspiration sozusagen aus der Badewanne schöpfen? Wie kommt das dazu bzw. wie darf man sich das vorstellen?
BK: Ja, das stimmt. Ich bade leidenschaftlich gerne und ich habe da so mein eigenes Ritual: Ich lasse mir heißes Wasser ein und mache das Licht aus. Dazu eiskalte Dosen Apfelwein und atmosphärischer Black Metal – das ist für mich das perfekte Ambiente, um gedanklich abzutauchen und mein Kopfkino zu starten. Also, die Badewanne gehört ganz klar zu meinem Leben. Als ich vor einiger Zeit umgezogen bin, war das eines der wichtigsten Suchkriterien. Andere möchten hohe Decken, Fußbodenheizung oder einen großen Balkon – für mich ist eine Wohnung ohne Badewanne unvorstellbar, eigentlich sogar unbewohnbar.
DiQ: Welchen Künstler oder Designer bewundern Sie für seine Arbeit und warum?
BK: Banksy – unglaubliche Kreativität und ganz eigener Style sprechen für sich!
DiQ: Herr Kuhn, vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke!