Leben im Delta
Das Schloss Mannheim
Es ist eines der größten Barockensembles Europas und beeindruckt noch heute durch seine Dimensionen – auch wenn beim Mannheimer Schloss längst nicht mehr alles original ist, hatte doch der Zweite Weltkrieg seine Spuren hinterlassen. Heute aber lädt das Barockschloss wieder zum Besuch ein, und was es da alles zu sehen gibt, erzählt uns Sonja Menold, die Leitung der Schlossverwaltung Mannheim, im Interview.
Delta im Quadrat, Beate Schittenhelm: Frau Menold, was sind denn Ihre Aufgaben als moderne „Schlossherrin“?
Sonja Menold: Seit dem Frühjahr 2021 bin ich für das Barockschloss Mannheim zuständig. Mein Tätigkeitsfeld ist sehr vielfältig – ein Schloss ist ein ganz besonderer Arbeitsplatz, wunderschön, aber nicht nach Schema F zu verwalten. Jeder Tag ist anders als der vorherige und ich weiß oft nicht genau, was auf mich zukommt. Das macht meine Arbeit so spannend. Ich bin für den gesamten Betrieb des Schlosses verantwortlich und werde dabei von mehreren Kolleginnen und verschiedenen Dienstleistern unterstützt. Meine Aufgabe ist es, das Schloss durch Führungen und Veranstaltungsprogramme zu öffnen, Wissen zu vermitteln und unseren Gästen ein schönes Erlebnis zu bieten. Außerdem gehört es zu meinen Tätigkeiten, unsere Räumlichkeiten zu vermieten, das Budget zu betreuen, Termine zu koordinieren, die Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen und mit Kooperationspartnern, zum Beispiel bei Veranstaltungen, zusammen zu arbeiten.
DiQ: Können Sie ein wenig aus der Schlossgeschichte erzählen? Welche historischen Meilensteine und welche Persönlichkeiten sind hier besonders wichtig?
SM: In der Schlossgeschichte gibt es zwei bedeutende Epochen. Den Grundstein für das Schloss in Mannheim hat Kurfürst Carl Philipp von der Pfalz 1720 gelegt. Über 40 Jahre lang bauten er und sein Nachfolger, Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz, an ihrer Residenz, die so zum zweitgrößten Barockensemble Europas wurde. In der Zeit von Carl Theodor war Mannheim sogar als ein Musenhof in ganz Europa bekannt. Der Kurfürst förderte Hofmusik und Oper, Theater und Wissenschaften.
Die zweite bedeutende Epoche begann mit der Hochzeit von Erbprinz Carl von Baden und Stéphanie de Beauharnais, der Adoptivtochter Kaiser Napoleons. Sie zogen 1806 ins Mannheimer Schloss. Früh verwitwet kehrte Stéphanie 1818 nach Mannheim zurück und lebte hier bis zu ihrem Tod. Zu ihren Abendgesellschaften lud sie bekannte einheimische und auswärtige Adelige, Industrielle, Gelehrte, Künstler und Politiker. So erlebte Schloss Mannheim eine zweite Blütezeit.
1918 ging das Schloss dann in den Besitz des Freistaates Baden über. Leider wurde das Schloss im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört. Nach langen Zeiten des Wiederaufbaus und der Rekonstruktionen freuen wir uns heute wieder sehr darüber, ein so prachtvolles Schloss zeigen zu können!
DiQ: Das Schloss Mannheim hat ja zwei sehr verschiedene Funktionen: Zum einen beherbergt es die Universität, zum anderen ist es ein Zeugnis der Geschichte. Wie klappt dieses Nebeneinander?
SM: Das Schlossmuseum und die Universität Mannheim arbeiten sehr gut miteinander: Es findet ein direkter und unkomplizierter Austausch mit den Beschäftigten der Universität statt. Wir stimmen uns mit Veranstaltungen auf dem Ehrenhof im Vorfeld ab. Gemeinsame Veranstaltungen wie beispielsweise das Schlossfest sind eine tolle Möglichkeit, sowohl Universität als auch Schlossmuseum einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. In meinen Augen profitieren beide Seiten von der baulichen Nähe. Und natürlich freuen wir uns über alle Studentinnen und Studenten, die uns besuchen. Wir haben ein eigenes Angebot für Studierende, das bereits gut genutzt wird. Immer wieder treffen wir Studierende im Schlossmuseum, die gerne die Geschichte ihres Universitätsgebäudes erkunden.
DiQ: Bezugnehmend auf eines unserer ganz unhistorischen Sonderthemen dieser Ausgabe ergreifen wir das Stichwort „Digitalisierung“: Wie wird diese im Schloss umgesetzt und wie profitieren die Besucherinnen und Besucher von den Möglichkeiten, die sich heute bieten?
SM: Die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg haben eigens die App „Monument BW“ entwickelt, die für unsere Monumente kostenfrei zum Download zur Verfügung steht. Sie ermöglicht es den Besucherinnen und Besuchern, das Schloss im eigenen Tempo und nach ihren Interessen zu erkunden. Bei der 75-minütigen multimedialen Erlebnistour hören sie Details zur Schlossgeschichte, lauschen den Dialogen von historischen Personen, sehen Bildergalerien, Slideshows und Filme – etwa das Kurpfälzische Kammerorchester, das ein Stück der berühmten Mannheimer Schule spielt, oder die Konservatorin im prachtvollen Treppenhaus. Außerdem wird unseren Gästen mit neuester Technik die Möglichkeit geboten, das nicht erhaltene Paradeschlafzimmer von Kurfürst Carl Philipp zu sehen: Zu erleben ist die virtuelle Rekonstruktion über einen Monitor und Virtual-Reality-Brillen, die kostenfrei beim Rundgang genutzt werden können.
DiQ: Wer es dann doch lieber analog mag: Wie kann man das Schloss erkunden und was gibt es dort alles zu entdecken?
SM: Das Mannheimer Schloss kann natürlich nicht nur mit einem elektronischen Guide, sondern auch bei einer persönlichen Schlossführung entdeckt werden. Hier bieten wir ganz unterschiedliche Themen an. Zusätzlich zu den prunkvollen Schlossräumen haben wir mehrere Ausstellungsbereiche. Im Erdgeschoss können unsere Gäste kostbare Stücke betrachten wie das Diadem von Großherzogin Stéphanie oder die großen Wandteppiche mit exotischen Motiven. In vergangene Zeiten tauchen die Gäste im Erlebnisraum Hofmusik ein: Hier erfahren sie alles über die Hofmusik, die Mannheimer Schule und berühmte Persönlichkeiten am Hof. Sie sehen: Das Schloss Mannheim ist auf jeden Fall immer einen Besuch wert!
DiQ: Verbirgt das Schloss denn auch Geheimnisse, die den Besucherinnen und Besuchern normalerweise verborgen bleiben?
SM: Dank unserer App können wir einen Raum und zwei kostbare Gegenstände vorstellen, die sonst nicht zu sehen sind: Ein Film präsentiert das wunderschöne Bibliothekskabinett von Kurfürstin Elisabeth Auguste, das unsere Gäste aus konservatorischen Gründen nicht betreten dürfen. Denn dieses kleine Kabinett hat sich als einziger von mehr als 500 Schlossräumen in beinahe ursprünglichem Zustand erhalten. Zwei andere Filme zeigen das spannende Innenleben von zwei Möbelstücken, denen man dies von außen nicht ansieht: ein Schreibsekretär mit Geheimschubladen und Notenpult und eine Bodenstanduhr mit Spielwerk. Übrigens muss die Uhr regelmäßig von unserem Uhrenrestaurator aufgezogen werden – auch das ein Termin, den ich als Schlossverwalterin organisiere.
DiQ: Und was hat das Mannheimer Schloss speziell für Kinder zu bieten?
SM: Unsere Familien- und Kinderführungen verbinden Schloss-Themen mit ganz unterschiedlichen Aktionen: Die jungen Besucherinnen und Besucher können zum Beispiel in historischen Kostümen tanzend das Schloss erleben oder bei einer Schatzsuche mitmachen. Natürlich gibt es in den Ferien auch ein besonderes Ferienprogramm. Beliebt ist die Möglichkeit, Kindergeburtstage im Schloss zu feiern. Für Schulklassen verschiedener Jahrgänge haben wir ein an den Lehrplan angepasstes Programm, das sich optimal in den Schulalltag integrieren lässt. Ob eine einzelne Familie, ein Geburtstagskind oder eine Schulklasse: Alle Interessierten können auf uns zukommen, wir beraten gerne und bieten ihnen die passende Veranstaltung an.
DiQ: Frau Menold, vielen Dank für das Gespräch! Wer noch mehr wissen will, kann das Schloss auch im Internet besuchen:
www.schloss-mannheim.de