Leben im Delta
DTM-Champ Marco Wittmann
Siegreich, schnell und umjubelt: Marco Wittmann, Rennfahrer aus Leidenschaft und Gewinner zweier DTM-Titel in den Jahren 2014 und 2016, beantwortet im Interview unsere Fragen und eröffnet Fans und Lesern einen spannenden Einblick in sein Leben als professioneller Rennsportler.
DiQ: Marco, was macht für dich die Faszination Motorsport aus?
Marco Wittmann: Motorsport macht bei mir viel aus, denn wenn du von klein auf ein Hobby betreibst, sei es Motorsport oder ein anderer Sport, dann ist extrem viel Leidenschaft und Ehrgeiz dabei. Das Ganze wächst weit über den Spaßfaktor hinaus. Das Hobby ist jetzt professionell und zum Beruf geworden und ist im Prinzip mein ganzes Leben. Ob es das private Umfeld oder der Freundeskreis ist – der Motorsport hat Priorität. Diese Faszination hat dann einen hohen Stellenwert im Leben.
DiQ: Ist es der Geschwindigkeitsrausch, der diese Anziehung auf dich bewirkt oder was war es, das dich als kleinen Jungen so sehr daran faszinierte?
MW: Die Geschwindigkeiten und der Adrenalinkick. Ich habe von Anfang an Spaß dran gefunden. Mit Go-Karts hat es angefangen und ohne konnte ich es mir nicht mehr vorstellen. Den Adrenalinschub, den man bekommt, wenn man in ein Auto einsteigt und die Startampeln auf grün gehen – dieser Adrenalinschub ist etwas ganz Besonderes!
DiQ: Was war der schönste Moment bis heute, wenn du zurück auf deine Karriere blickst?
MW: Es gab natürlich viele schöne Momente, aber besonders schön sind immer die, bei denen du einen Schritt in der Karriereleiter hochsteigst oder einen Gewinn erzielst. Ich glaube, meine prägendsten Momente waren die zwei DTM-Titelgewinne 2014 und 2016. 2014 war für mich sogar noch ein bisschen höher anzusiedeln, weil es der erste Titelgewinn war, auf den man hart hingearbeitet hat. Wenn man irgendwo am Ziel angekommen ist und sich als Meister krönen kann, ist es ein ganz besonderer Moment und für mich mit vielen Emotionen verbunden.
DiQ: Wie darf man sich bei dir einen klassischen Trainingstag außerhalb desAutos vorstellen? Gibt es da Unterschiede bei der Vorbereitung auf bestimmte Strecken?
MW: Der Ablauf von einem Rennwochenende ist immer geregelt und relativ gleich. Wir haben aber neben dem eigentlichen Training viele Termine, die vor allem mit denIngenieuren und Mechanikern stattfinden. Wir haben vor und nach einem Training einMeeting, wo wir in die Analyse gehen und alles besprechen. Natürlich gibt es auch viele andere Termine wie Autogrammstunden, Meet and Greets mit Sportsponsoren, Treffen mit der Marketingabteilung und Pressetermine. So ein Wochenende ist zwar immer vollgepackt, aber im Ablauf gleich. Klar gibt es auch Rennwochenenden, an denen mehr los ist. Wenn es allerdings näher an die Vorbereitungen geht, gibt es einige Unterschiede, da es immer wieder Rennstrecken gibt, die man kennt und andere, die einem völlig neu sind. 2019 haben wir zwei neue Rennstrecken dabei und da ist die Vorbereitung intensiver.
DiQ: Thema Fitness: Bereitest du dich im Vorfeld je nach Strecke unterschiedlich – zum Beispiel je nachdem, ob die Strecke kurvenreich oder eher gerade ist –anders vor?
MW: Eigentlich auch immer im gleichen Muster, denn als Rennfahrer musst du immerim gleichen Bereich fit sein, egal wie kurvenreich eine Strecke ist. Auch wenn du für eine Rennstrecke nur am Grenzlimit fit bist, hast du zu wenig trainiert und dann kannst dudie Konzentration und den Fokus im Rennen nicht hochhalten. Daher bereitest du dich auf jede Strecke im Ausdauer- und Kraftbereich vor – und natürlich auch im mentalen Bereich wie etwa durch Koordinations- und Reaktionstrainings.
DiQ: Warum müssen Rennfahrer so fit sein und welchen Belastungen seid ihr daausgesetzt?
MW: Jeder kann sich vorstellen, dass natürlich die Armmuskulatur durch die Lenkkräfte und die Nackenmuskulatur durch die Fliehkräfte in den Kurven beansprucht wird. Da gehört allerdings noch mehr dazu: Wir müssen zum Beispiel relativ viel Beinkraft besitzen, weil wir keinen Bremskraftregler wie bei einem PKW haben. Auf einer Rennstrecke wie Hockenheim gibt es 14 Kurven und bei sechs bis sieben Kurven haben wir 100 Bar Bremsdruck, den wir mit unserem linken Bein drücken müssen. Die Beinmuskulatur muss deshalb gut gestärkt sein, ebenso die Bauch- und Rückenmuskulatur. Wir sind allerdings nicht die Sportler, die auf viel aufgebaute Muskulatur setzen müssen, sondern auf Kraft und Ausdauer.
DiQ: Welche Rolle spielt die mentale Stärke und wie trainierst du diese?
MW: Ich glaube, heutzutage ist der Punkt mentale Ausdauer sehr wichtig geworden. In den Achtzigern und Neunzigern war es da anders. Heutzutage weiß jeder für sich, waser machen muss, um fit zu sein und auch, dass die Öffentlichkeit vermehrt darauf guckt. Und da kann es einen extrem großen Unterschied machen, wenn du mental wirklich fitbist. Jeder Fahrer hat da seine eigenen Methoden für die Konzentration. Gerade bei der Startampel ist das wichtig, um aus dem Moment heraus schnell und richtig zu reagieren.
DiQ: Welche Bedeutung hat das Thema Regeneration im Motorsport?
MW: Das Thema ist vielleicht nicht wirklich in aller Munde und wird etwas vernachlässigt, aber es ist schon wichtig, einen Regenerationstag einzulegen. Gerade wenn man intensivere Trainingseinheiten im Kraft-Ausdauer-Bereich hat, kann ein Ruhetag sinnvoll sein, ebenso nach einem Rennwochenende. Wenn man Freitag, Samstag und Sonntag im Rennauto sitzt und etwas leisten muss, ist die Regeneration danach sehr wichtig.DiQ: Was machst du für die Regeneration unmittelbar nach dem Rennen? Kommt ein Physiotherapeut, der dich massiert?
MW: An heißen Tagen hat man zwar die Möglichkeit, sich zu kühlen, allerdings fehlt dir nach einem Rennen als Fahrer die Zeit für ein Eisbad und eine Massage. Danach bist du bestenfalls am Podium oder hast eine Pressekonferenz und Treffen mit Fans. Nach einem Rennen ist man meistens für drei bis vier Stunden komplett eingespannt. Erst zum Abendessen kommt man dann etwas runter und kann sich von einem Physiotherapeuten massieren lassen, aber direkt im Anschluss gibt es keine Chance.
DiQ: Hast du als Rennfahrer so viel Leidenschaft, dass du dich auch privat darüber freust, Familie und Freunde zu fahren oder bist du froh, wenn du mal nicht ans Lenkrad musst?
MW: Ich bin tatsächlich ungern Beifahrer. Ich bin viel im Auto unterwegs, auch wegen der zahlreichen Termine, und ich fahre liebend gerne selbst!