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Leben im Delta

Ernährung in den „Körperwelten“

Die Veranstaltung der Körperwelten „Schlau mit Darm“, die im Februar in Kooperation mit der Ernährungsexpertin und Ärztin Prof. Michaela Axt-Gadermann im Frauenbad in Heidelberg veranstaltet wurde, passt perfekt zum Themenkomplex „Ernährung“ der aktuellen Ausgabe von „Delta im Quadrat“. Denn die Folgen von unterschiedlichen Möglichkeiten der Nahrungsaufnahme spielen in der Körperwelten-Ausstellung eine große Rolle. Ein Rundgang macht dem Besucher deutlich bewusst: „Du bist, was du isst“. Viele der heute verbreiteten Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheiten, bestimmte Krebserkrankungen und Fettleibigkeit sind auch auf eine schlechte Ernährung zurückzuführen, denn um sich gesund zu halten, braucht der Körper über 40 verschiedene Nährstoffe, die durch unterschiedliche Nahrungsmittel aufgenommen werden müssen. Es gibt kein Universal-Nahrungsmittel, das alle nötigen Nährwerte enthält, vielmehr ist ein vielseitiger Speiseplan notwendig, wobei die Dosierung ebenfalls eine große Rolle spielt: Iss von allem genug, aber auch nicht zu viel! Dieser Regel zu folgen fällt jedoch oft schwer. Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz – magische Zutaten, die Speisen in der richtigen Dosierung unwiderstehlich machen – werden in ungesund großen Mengen in vorverwerteten Lebensmitteln und Fertigprodukten verarbeitet. Die Rechnung der Lebensmittelhersteller geht auf: Glückliche und geschmacklich befriedigte Kunden steigern den Umsatz. Dabei sind viele Lebensmittel reich an Kalorien, enthalten aber kaum Nährwerte. Allein durch gesüßte Softdrinks fügen wir unserem Körper eine erhebliche Menge „leerer“ Kalorien zu: Ein typischer Energy Drink beispielsweise enthält pro 500 ml etwa zehn bis zwölf Teelöffel Zucker, eine Cola 21 Teelöffel! Wir haben uns dazu mit Prof. Michaela Axt-Gadermann unterhalten.

DiQ: Was können Besucher der „Körperwelten“ zum Thema Ernährung in der Ausstellung erfahren?

Michaela Axt-Gadermann: Unser Körper ist etwas Wunderbares und Schützenswertes. Ich unterrichte an der Hochschule Coburg unter anderem auch Anatomie, Physiologie und Krankheitslehre. Meine Studierenden wissen mittlerweile, dass ich sehr häufig über die Präzision unseres Organismus ins Schwärmen gerate, wenn ich erkläre, wie clever er arbeitet – oft jahrzehntelang ohne „Wartung“. Die Körperwelten-Ausstellung gewährt sowohl Laien als auch Experten Einblicke in das Wunderwerk Mensch. Außerdem trägt sie meiner Meinung nach dazu bei, dass wir lernen, unseren Körper als etwas Besonderes wahrzunehmen und uns besser um ihn zu kümmern. Die Ernährung spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Die Ausstellung zeigt jedoch nicht nur, was passiert, wenn wir uns schlecht ernähren (wie zum Beispiel die Bildung der Fettschicht des Körpers, die Fettleber oder den Herzinfarkt); die Einflüsse des Lebensstils auf die Vitalität und den Alterungsprozess werden ebenfalls sehr anschaulich gezeigt. Ich habe in der Vergangenheit schon öfter Körperwelten-Ausstellungen mit meinen Studierenden besucht, die fast ausnahmslos begeistert waren.

DiQ: Wie kam Ihre Zusammenarbeit mit den Körperwelten zustande? 

MAG: Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Thema Darmflora. Da unsere Darmbakterien auch unsere Psyche beeinflussen, Stress und Depressionen lindern können und sogar zur Produktion von Glückshormonen fähig sind, hat dieses Thema hervorragend zur Ausstellung „Anatomie des Glücks“ gepasst. 

DiQ: Stimmt es, dass eine abwechslungsreiche Ernährung die gesündeste ist und wenn ja, warum?

MAG: Ja, das stimmt. Unser Körper benötigt rund ein Dutzend unterschiedlicher Vitamine und ähnlich viele Mineralstoffe und Spurenelemente. Hinzu kommen lebenswichtige Eiweißbausteine, viele Fettsäuren und Kohlenhydrate sowie Tausende Pflanzenstoffe, die alle für unser Wohlbefinden sorgen: Krankheiten treten dann möglichst selten auf und wir können unsere Leistungsfähigkeit auf einem hohen Niveau halten. Im Optimalfall nehmen wir all diese Nährstoffe über unsere Nahrung auf – nicht täglich alle, aber doch so regelmäßig, dass die Speicher immer gut gefüllt sind. Wenn ich mich auf Dauer sehr einseitig ernähre, entstehen Lücken in der Nährstoffversorgung. Da in unserem Körper viele Vorgänge wie Zahnräder ineinandergreifen, kann schon der Mangel an nur einem Vitamin weitreichende Folgen für Gesundheit und Wohlbefinden haben.  

DiQ: Bietet in Ihren Augen eine saisonale Ernährung genügend Abwechslung? Worauf hat man dabei zu achten?

MAG: Ja, im Prinzip schon. Man sollte, wenn die Möglichkeit da ist, immer zu saisonalen Produkten greifen. Allerdings kochen ohnehin viele Menschen nur noch selten. Die typischen „Wintergemüse“ wie Kohl, Steckrüben oder rote Beete sind nicht sehr beliebt oder es sind keine Rezepte zur Zubereitung bekannt. Aus diesem Grund kann durchaus auch immer mal wieder nichtsaisonales Gemüse auf den Tisch kommen. Eine gute und schnelle Alternative zu Frischkost sind tiefgekühltes Gemüse und Kräuter. Die bieten auch im Winter relative Frische und benötigte Nährstoffe. 

DiQ: Welchen Einfluss hat eine gesunde Ernährung auf unsere Psyche – geht die Liebe wirklich durch den Magen?

MAG: Jeder weiß aus eigener Erfahrung, wie schön es ist, nach einem anstrengenden Tag etwas Leckeres zu essen und wie das nicht nur unserem Körper, sondern auch unserer Psyche guttut. Auf Dauer schützt eine ausgewogene und vielfältige Ernährung vor Depressionen, lindert Stress und verbessert die geistige Leistungsfähigkeit. Wenn wir uns gesund ernähren, dann liefert unser Essen zusammen mit den 100 Billionen Darmkeimen die Ausgangsstoffe, um Glücksbotenstoffe, Sättigungshormone oder Stresslinderer zu produzieren. US-amerikanische Forscher haben in einer Untersuchung an über 70.000 Frauen herausgefunden, dass Süßigkeiten, Fast Food und Fertiggerichte nicht nur auf die Taille, sondern auch aufs Gemüt schlagen und das Risiko für Depressionen steigern. Was wir essen, beeinflusst die Zusammensetzung der Darmbakterien – und die rühren dann auch noch ganz munter in unserer Psyche herum. Darmbakterien, zum Beispiel Lactobazillus reuteri, können auch die Bildung von Glückshormonen und Oxytocin fördern. Oxytocin ist ein Hormon, das die Bindung zwischen zwei Menschen festigt. Wenn ich meinen Liebsten oder meine Liebste mit etwas Leckerem zu Essen auch noch glücklich machen kann, dann geht die Liebe tatsächlich durch den Magen. Aber: Wenn wir Liebeskummer oder Stress im Job haben, dann hilft der Apfel nur bedingt. Dann dürfen es natürlich auch mal die Schokolade oder die Handvoll Chips sein, die man dann auch ohne schlechtes Gewissen futtern sollte. Solange der rote Faden in der Ernährung stimmt, müssen solche „Sünden“ auch mal drin sein.

DiQ: Können Sie uns zum Schluss noch einen Einblick in Ihr aktuelles Buch „Schlau mit Darm“ geben?

MAG: Das Buch beschreibt, wie eng Darm und Kopf miteinander verbunden sind. Wir kennen alle die im täglichen Sprachgebrauch auftauchende Verbindung von Bauch und Kopf: Sorgen schlagen uns auf den Magen, wir haben ein gutes Bauchgefühl oder ein Problem bereitet uns Bauchschmerzen. Was aber vielen unbekannt ist: Auch Depressionen und Ängste können ihren Ursprung im Darm haben. Unsere Darmflora hilft uns, Stress gut zu überstehen oder auch den Schlaf zu verbessern. Sie fördert die geistige Entwicklung von Kindern und hält uns auch im Alter länger fit. Kurzum: Der Darm und seine Bakterien tragen eine ganze Menge zu unserem Glück bei. Inzwischen hat man auch herausgefunden, dass eine Störung der Darmflora bei ADHS, Autismus, Reizdarmsyndrom und Parkinson eine Rolle spielen kann. All diese Aspekte und noch mehr spreche ich in meinem Buch an und gebe auch Tipps, welche Bakterien bei bestimmten Problemen helfen. 

 


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