Leben im Delta
Gesunde Ernährung – eine Pfitzenmeier-Expertin erklärt den Grundsatz
Folgendes Szenario: Ein gemütliches Abendessen mit Freunden im Restaurant. Man freut sich auf ein leckeres Essen, das man einfach nur genießen will. Und dann gibt es eine Person am Tisch, die gerade verzichtet. Auf Nachfrage kommt oft die Antwort, man möchte sich gesund ernähren, abnehmen, macht vielleicht sogar eine Diät. Und schon dreht sich alles ums Thema gesunde Ernährung! Die Notwendigkeit dafür ist bei den meisten Menschen im Bewusstsein angekommen. Das Problem dabei ist nur: Gesunde Ernährung wird oft falsch praktiziert. Mythen wie „Wenn ich mich gesund ernähre, dauert das Kochen länger“ oder „Es ist teurer, wenn ich mich gesund ernähren will“ liegen meistens in der Unkenntnis und Unsicherheit der Menschen bedingt, glaubt die Expertin Simone Gredel von der Unternehmensgruppe Pfitzenmeier. Auch über diverse neue Trends, die fast wöchentlich aufploppen und neue „Ernährungsregeln“ aufstellen, kann die studierte Diplom-Biologin nur schmunzeln: „Gesunde Ernährung in einem Satz zusammengefasst heißt: Alles, was wir essen, sollte den geringsten Verarbeitungsschritt, der nötig ist, aufweisen. Also: möglichst unverarbeitete Lebensmittel verzehren!“ Klingt logisch, wird aber nur bedingt umgesetzt. Dabei ist es so wichtig, denn nicht nur im Jetzt freut sich der Körper und revanchiert sich mit Wohlbefinden; auch für die Zukunft hat eine gesunde Ernährung positive Auswirkungen. Das hat auch Pfitzenmeier erkannt und bietet deshalb Beratung zum Thema „gesunde Ernährung“ an. Erste Einblicke gibt es in unserem Interview.
Delta im Quadrat, Tim Fischer: Frau Gredel, können Sie unseren Lesern kurz etwas über Ihren Werdegang erzählen? Wie und wann sind Sie zum ersten Mal mit dem Thema „bewusste Ernährung“ in Berührung gekommen?
Simone Gredel: Mit dem Thema Ernährung kam ich schon vor sehr vielen Jahren in Kontakt, wenn auch auf einer komplett anderen Ebene als heute. Ich habe nämlich in Heidelberg Biologie studiert. Nach meinem Abschluss zur Diplom-Biologin fing ich bei Pfitzenmeier als Trainerin an zu arbeiten. Da hieß es dann „Prima, du als Diplom-Biologin kannst ja jetzt unsere Gewichtsreduktionskurse leiten.“ Es war zu Beginn eine große Herausforderung für mich, mein Biochemie- und Physiologiewissen auf ein auch für Laien verständliches Maß herunterzubrechen, meine Kursteilnehmer mit Ernährungsfachwissen zu unterhalten und die Neugierde auf das, was alles so in unserem Körper bei der Nahrungsaufnahme vonstatten geht, zu wecken.
DiQ: Bewusste Ernährung spielt im Alltag eine immer größere Rolle und der Anspruch an die Qualität der Lebensmittel steigt stetig. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?
SG: Gerade weil das Thema „bewusste Ernährung“ für immer mehr Menschen im Alltag wichtig ist und es auch hinreichend bekannt ist, dass sehr viele Krankheiten ernährungsabhängig sind, steigt die Verunsicherung bezüglich „gesunder Ernährung“ stetig an. Das Ernährungswissen als solches ist oft nur oberflächlich vorhanden. Die Informationsbeschaffung im Zeitalter des Internet ist schnell und einfach, aber woher soll man wissen, welchen Aussagen man Glauben schenken kann? Es gibt viel zu viele, zum Teil konträre Aussagen und Informationen. Das schürt Ängste und die Unsicherheit, etwas falsch zu machen.
DiQ: „Früher haben wir uns auch nicht bewusst gesund ernährt, sind aber dennoch groß geworden“ wird oft als Argument gebracht. Ist gesunde Ernährung in einigen Bereichen vielleicht auch ein übertriebener Trend? Oder haben wir früher wirklich alles falsch gemacht?
SG: Ja, diese Aussage höre ich sehr oft. Sicherlich haben wir damals überhaupt nichts falsch gemacht, ganz im Gegenteil. Wir müssen uns einfach nur vor Augen führen, wie die Ernährung noch vor rund 40 Jahren aussah. Da hielten wir die Regeln der gesunden Ernährung ein, ohne auch nur darüber nachgedacht zu haben. Es gab ein- bis zweimal in der Woche Fleisch. Dieses stammte vom Metzger und nicht aus Massentierhaltungs-anlagen irgendwo in Europa. Obst und Gemüse wurden nach Saison gegessen und die Fülle an Pestiziden und Schädlingsbekämpfungsmitteln war noch gar nicht erfunden. Süßigkeiten und gesüßte Getränke gab es nur zu besonderen Anlässen. Fertigprodukte kamen gar nicht auf den Tisch, weil es diese im Handel, wenn überhaupt, dann nur zu horrenden Preisen gab. Es wurde zu Hause gekocht und gegessen. Fastfood, das hieß damals noch Schnellimbiss, war eine absolute Ausnahme. Da musste man sich auch keine Gedanken über das Kalorienprofil machen, weil man sich mehr bewegt hat und Essen nicht überall zu geringen Kosten verfügbar war.
DiQ: Aktuell taucht jede Woche ein neuer Trend auf: Paleo, Zuckerfrei, Clean Eating. Wie bewerten Sie die einzelnen Trends?
SG: Ich muss sehr oft schmunzeln, wenn angeblich „neue Ernährungsregeln“ auftauchen. Gesunde Ernährung in einem Satz zusammengefasst heißt: Alles, was wir essen, sollte den geringsten Verarbeitungsschritt, der nötig ist, aufweisen. Somit ist der Trend „Clean Eating“ nichts anderes als die Regeln der gesunden Ernährung zu befolgen. Auf Zucker in Form von dem Disaccharid Saccharose zu verzichten wäre natürlich erstrebenswert. Leider ist die Aufklärung darüber, was zuckerfrei bedeutet, sehr gering. Da wird auf Süßungsmittel zurückgegriffen oder es wird z.B. mit Honig gesüßt, der aber auch nur wieder aus Fruktose und Glukose besteht. Oder es wird sogar zuckerfrei mit kohlenhydratfrei verwechselt. Paleo oder Steinzeiternährung ist wissenschaftlich betrachtet Humbug. Dennoch hat dieser Trend wunderbare Ansätze, denn auch hier handelt es sich um eine gesunde Ernährungsweise, egal ob evolutionär haltbar oder nicht. Trends kommen und gehen. Letztendlich muss jeder Mensch eigenverantwortlich für sich selbst entscheiden, welcher Weg der richtige für eine dauerhafte Ernährungsweise darstellt.
DiQ: Wie sieht für Sie eine bewusste und ausgewogene Ernährung aus?
SG: Möglichst unverarbeitet, mit wenigen Zusatzstoffen und stark pflanzlich orientiert. Im Idealfall nach Saison, mit einem geringen Transportweg und niedriger Schadstoffbelastung.
DiQ: Sind Fastfood und Süßes grundsätzlich ein No-Go?
SG: Nein, überhaupt nicht. Alles in Maßen! Ich bin ein großer Verfechter der 80-20-Regel. Das heißt: 80% meiner Ernährung ist gesund und bewusst und dann habe ich immer noch 20% für „Quatsch“ übrig, ohne dass gesunde Ernährung zum Stressfaktor wird, was leider bei vielen Menschen der Fall ist. Mit dem Zwang, sich zu hundert Prozent gesund zu ernähren, bleibt viel Freude und auch Geselligkeit auf der Strecke und man scheitert täglich aufs Neue an den selbstgesteckten Zielen. Das stresst, macht unglücklich und irgendwann gibt man wahrscheinlich das Vorhaben, sich gesund zu ernähren, wieder auf, weil es im Alltag nicht umsetzbar ist.
DiQ: Wann ist eine Nahrungsergänzung aus Ihrer Sicht sinnvoll?
SG: Eine Nahrungsergänzung ist dann sinnvoll, wenn der Bedarf nicht durch die gesunde Basisernährung gedeckt werden kann und der Mangel klinisch diagnostiziert wurde. Dies kann der Fall sein bei Krankheiten und Unverträglichkeiten, bei Senioren, in der Schwangerschaft und Stillzeit, bei Veganern und bei Leistungssportlern. Bei Nahrungsergänzungsmitteln gilt allerdings nicht „viel hilft viel“, auch wenn dies oftmals vermutet wird. Und es ist ebenso nicht möglich, dass ein Supplement eine ungesunde Ernährungsweise wieder geraderückt.
DiQ: Welche Rolle spielt eine gesunde Ernährung im Zusammenhang mit Sport und Regeneration bzw. wie wichtig ist neben ausreichender Bewegung eine gesunde Ernährung?
SG: Um sportlich erfolgreich zu sein, ist eine gesunde Ernährung unabdingbar. Durch angepasste, sportartspezifische Ernährung ist eine enorme Leistungssteigerung möglich. Ebenso wird die Regenerationszeit durch die Nahrungszufuhr bestimmt. Nur allein durch Bewegung wird das Trainingsziel nicht erreicht werden. Es heißt schließlich nicht zu Unrecht: „Der Sixpack wird in der Küche gemacht.“
DiQ: Für viele ist gesunde Ernährung mit mehr Mühe und mehr Kosten verknüpft. Wie sehen Sie das?
SG: Gesunde Ernährung dauert weder länger noch kostet sie mehr Geld. Falls dieser Eindruck vorhanden ist, liegt es zum einen an der bereits erwähnten Unsicherheit und auch an der Unkenntnis, wie man sich schnell ein gesundes Essen zubereiten kann. Zum anderen kommt noch hinzu, dass Zeit unterschiedlich bewertet wird. Kaum jemand berechnet die Minuten, die er wartend in der Schlange steht, hingegen aber die Minuten, die er in der Küche zum Schneiden vom Gemüse benötigt. Es ist problemlos möglich, sich mit geringem Budget gesund zu ernähren. Zum Beispiel sind Kartoffeln gesund und günstig und sie können in allen möglichen Varianten zubereitet werden. Ebenso gibt es bereits geschnittenes Tiefkühlgemüse für wenig Geld beim Discounter, teilweise sogar in Bioqualität.
DiQ: Helfen regionale Produkte bei gesunder Ernährung oder ist die Herkunft egal?
SG: Produkte aus der Region in Bioqualität oder vom Bauern des Vertrauens zu kaufen wäre die „Königsdisziplin“. Es handelt sich hierbei aber nicht nur um die Frage, wie es mit der eigenen Gesundheit aussieht, sondern eher darum, wie es um die gesamte Ökobilanz steht. Regional bedeutet schließlich immer auch eine Einsparung an Energiekosten und an Emissionen.