Leben im Delta
500 Jahre Reformation
Es muss schon ein bedeutsames Ereignis gewesen sein, wenn man sich noch ein halbes Jahrhundert später feierlich daran erinnert – 2016 brachte es das Reinheitsgebot zu diesen Ehren, 2017 wird es die Reformation sein. Im Oktober jährt sich Martin Luthers legendärer Anschlag der Thesen am Schlosskirchentor zu Wittenberg zum 500. Male, und jene Handlung gegen den Ablasshandel gilt als Initialzündung für die Reformation, eine weltweite Erneuerungsbewegung der Kirche. Das, was von Wittenberg im 16. Jahrhundert ausging, veränderte Deutschland, Europa und die Welt. Die Reformation, ursprünglich von Luther als innere Veränderung der Kirche gedacht, führte zu einer Spaltung der Kirche und auch zu einer Spaltung des Landes in katholische und protestantische Gebiete. Musik und Kunst, Wirtschaft und Soziales, Sprache sowie Recht und Politik, kaum ein Lebensbereich blieb von der Reformation unberührt. Und auch wenn Luther beileibe nicht der einzige Akteur der Reformation war – man denke an Namen wie Melanchthon, Calvin oder Zwingli –, so ist er doch derjenige, dessen Spuren heute am offensichtlichsten zu sehen sind. Er ist Sympathieträger und Aushängeschild des Reformations-Jubiläumsjahres, ob als Playmobil-Figur, die im Großformat zum Selfie mit Luther einlädt und im Kleinformat als Botschafter durch die ganze Welt tourt (www.ekma.de/unterwegs_mit_luther), oder als Bühnen-Star, der im Februar mit einem Pop-Oratorium die Mannheimer SAP-Arena füllte. Oder als Hauptfigur eines Romans: Feridun Zaimoglu veröffentlicht genau zum passenden Zeitpunkt den Luther-Roman „Evangelio“, in dem Luthers Bewacher auf der Wartburg zu Wort kommt, der Landsknecht Burkhard, der die Bibelübersetzung und überhaupt Luthers Wirken aus seiner katholischen Perspektive mit großer Sorge betrachtet. Vorgestellt wird das Buch im Rahmen von „lesen.hören 11“ am 04.03. um 20 Uhr in der Christuskirche Mannheim mit Denis Scheck und Orgelbegleitung von Prof. Johannes Michel sowie am Do, 16.03., 20 Uhr im Deutsch-Amerikanischen Institut, Sofienstraße 12, Heidelberg.
Für diese Übersetzung hat Luther sprichwörtlich „dem Volk aufs Maul geschaut“ – welche Ausdrücke, die uns heute geläufig sind, ihren Ursprung im 16. Jahrhundert haben, zeigt die Ausstellung „Aufs Maul geschaut – Mit Luther in die Welt der Wörter“ in der Heidelberger Heiliggeistkirche, die noch bis 26.03. durch poetische Installationen Einblicke in die Welt der Wörter und Wortschöpfungen gibt und Redewendungen fühl-, hör-, seh-, les- und erfahrbar macht. Die Ortswahl ist dabei nicht zufällig: Die mitten in der Altstadt gelegene Heiliggeistkirche ist der zentrale Ort der Jubiläums-Feierlichkeiten in Heidelberg. Denn das Gebäude, in dem Martin Luther im Jahre 1518 seine Thesen in der „Heidelberger Disputation“ erörtert hatte, das Augustinerkloster, steht schon lange nicht mehr: Es wurde im Pfälzischen Erbfolgekrieg zerstört; nur eine Gedenkplakette am heutigen Universitätsplatz erinnert an das Streitgespräch, das für die Ausbreitung von Luthers Lehre im südwestdeutschen Raum große Bedeutung hatte. Ab April lässt sich auch bei Altstadt-Spaziergängen den Spuren Luthers nachgehen – immer am 2. und 4. Samstag im Monat ab 17 Uhr (www.heidelberg-marketing.de).
Im Heidelberger Schloss bereitet man sich derweil auf den Beginn des Themenjahres der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg vor: Das Motto „Über Kreuz“ behandelt die Reformation und die Gegenreformation an den Originalschauplätzen von damals in Form von Erkundungen, Sonderführungen, Inszenierungen, Musik, Ausstellungen, Literatur und Vorträgen (www.schloesser-und-gaerten.de, www.ueber-kreuz2017.de) und wird am So, 02.04. feierlich eröffnet. Im Mannheimer Barockschloss wird das Thema schon im März angegangen: Am So, 05.03., 14.30 Uhr (Anmeldung Tel.: 06221/658 88-0) begibt sich eine Führung durch die kaiserlichen Appartements und die Schlosskirche auf die Spuren jener Zeit. Die Herrscher der Kurpfalz hatten sich zwar der Reformation angeschlossen, aber als 1685 der Kurfürst ohne Thronfolger starb, fiel die Herrschaft an das katholische Pfalz-Neuburg. 1720 verlegte Kurfürst Carl Philipp die Residenz nach Mannheim – und der katholische Hof wurde von den Mannheimern argwöhnisch beobachtet...
Auf die Tatsache, dass die damals noch ganz neue Technik des Buchdrucks eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Verbreitung der reformatorischen Ideen spielte, fokussiert die Universitätsbibliothek Mannheim: Noch bis 31.03. zeigt sie in der eintrittsfreien Ausstellung „Die letzte Flamme und der erste Funke. Reformation und Medienrevolution“ digitalisierte Werke jener Zeit mit Text und Kupferstichen, darunter die 95 Thesen, einen frühen Druck der Lutherischen Bibelübersetzung, die Schrift von Philipp Melanchthon über die Herkunft der Familie Luther sowie auch viele Werke von Gegnern der Reformation.
Luthers Schriften hätten ohne Katharina von Boras Unterstützung vielleicht gar nicht veröffentlicht werden können – die „Lutherin“ schuf ihrem Gatten einen gesellschaftlichen Kosmos mit sechs Kindern, Pflegekindern und immer wieder interessanten Gästen für Diskussionsrunden. Die vielseitigen „Professionen der Frau Luther“ werden im Wortkino der Volkshochschule Speyer vorgestellt (Sa, 11.03., 18 Uhr, vhs Speyer). Auch in der Frauenliteratur wird sie gewürdigt: Christine Brückner stellte sich vor, was Katharina Luther, geborene von Bora ihrem Mann wohl in Tischreden zu sagen hätte. „Bist Du sicher, Martinus?“ ist ein Beitrag des Theaters Heidelberg zum Reformationsjubiläum und hat am Fr, 07.04. um 20 Uhr in der Heidelberger Peterskirche Premiere. Noch mehr Tischreden, diesmal garniert mit zünftigen Speisen, gibt’s am Do, 09.03. ab 19.30 Uhr „Bei Luthers zu Tisch“, der im Gemeindehaus LU-Edigheim gedeckt wird (Anmeldung Tel.: 0621/66 94 81 47).
In ähnlicher Vielfalt fächert sich das weitere Programm im Frühling und Sommer auf – bis zum offiziellen Jubiläum, dem 31. Oktober. Unmittelbar davor eröffnet in Mannheim auch die Ausstellung „Kernräume der Reformation“, die im Museum Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen auf wichtige Personen, Ereignisse und Orte speziell der südwestdeutschen Reformationsgeschichte fokussiert. Zuvor aber wendet man den Blick noch auf das Papsttum: Ab Mai geht es in einer Sonderausstellung erst einmal um „Die Päpste und die Einheit der lateinischen Welt“ – denn bevor Katholiken und Protestanten für Jahrhunderte getrennte Wege gingen, teilten sie sich schließlich 1.500 Jahre lang eine gemeinsame Geschichte!