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Leben im Delta

90 Jahre Capitol: Vom Kino zur Bühne

Ende Dezember 1927, zu einer Zeit, als das Kino noch Lichtspieltheater genannt wurde, flackerte im neuen Mannheimer „Capitol“ der erste Film auf der Leinwand: Murnaus „Sunrise“. In den seitdem vergangenen 90 Jahren hat sich einiges getan: Erst ging es bergauf, dann hatte irgendwann jeder seinen eigenen Fernseher zuhause und die stolzeste Zeit des Kinos war vorüber – das Capitol wurde sogar geschlossen. Doch zum Glück nur, um wiedereröffnet zu werden: als Veranstaltungshaus mit besonderem Flair und einem breiten Programm. Konzerte und Musik, Comedy und Kabarett, Partys und Feste, Kindertheater und Kleinkunst aller Arten findet hier eine Bühne. Und ein treues Publikum! Zum 90. Geburtstag des Hauses sprach Delta im Quadrat mit dem Capitol-Geschäftsführer Thorsten Riehle über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 

DiQ, Tim Fischer: Herr Riehle, wie und wann sind Sie zum Capitol gekommen?

Thorsten Riehle, Capitol: Auf der Suche nach einer Spielstätte für meine erste eigene Musicalproduktion „Der kleine Horrorladen“ ist mir aufgefallen, dass ich das Capitol als Veranstaltungsort in Mannheim vermisse. Als Kind kannte ich das Haus noch als Kino und als Jugendlicher habe ich hier erste Konzerte erlebt. Irgendwie hat das gefehlt. Gemeinsam mit Ralph Kühnl und Mike Haymann bin ich dann auf den damaligen Besitzer Dieter Spickert zugegangen. Und da ich mich zu dem damaligen Zeitpunkt beruflich eh neu orientiert habe, kam schnell der Gedanke auf, das Haus zu pachten.

DiQ: Was haben Sie davor gemacht?

TR: Eigentlich bin ich ausgebildeter Tageszeitungsredakteur und PR-Berater. In der Funktion kam ich auch zu der Musicalproduktion Human Pacific, die sowas wie der Urknall für viele in Mannheim war. Smaida Platais und Anna Krämer von den Schönen Mannheims haben damals mitgemacht, aber auch Peter Baltruschat vom Schatzkistl oder der noch völlig unbekannte Xavier Naidoo. Auch Bülent Ceylan stand als Soldat auf der Bühne und hat uns Backstage mit seinen Helmut-Kohl-Imitationen zum Lachen gebracht. Zu ihm habe ich dann mal gesagt: „Junge, du gehörst als Comedian auf die Bühne!“ Im Nachhinein betrachtet offensichtlich kein Fehler.

DiQ: Was macht für Sie die Faszination an ihrer Arbeit aus?

TR: Dass ich in den meisten Fällen morgens nicht weiß, wie mein Tag verläuft. Das ist anstrengend, herausfordernd – aber auch sehr spannend. Der Umgang mit Künstlerinnen und Künstlern und vor allen Dingen mit ihren Agenturen und Managern ist eine tägliche Herausforderung. Aber nach 20 Jahren im Job haben sich da sehr gute Beziehungen entwickelt, auf die ich immer wieder aufbauen kann.

DiQ: Sind Sie regelmäßig noch bei Veranstaltungen selbst vor Ort?

TR: Ja, natürlich. Zum einen, weil mir der Kontakt zu meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Haus wichtig ist und zum anderen, weil ich selbstverständlich ein großes Interesse daran habe, was auf der Bühne passiert und vor allen Dingen, wie das beim Publikum ankommt. 

DiQ: Wie lässt sich das mit Privatleben, Hobbys etc. verbinden?

TR: Ziemlich gut, indem ich mir Freiräume nehme und auf der anderen Seite natürlich auch tagsüber immer wieder flexibel mit meiner Zeit umgehen kann. Das hat auch Vorteile.

DiQ: Was ist aus Ihrer Sicht Ihr größter Erfolg, seitdem Sie das Capitol führen?

TR: Der größte Erfolg ist zweifelsohne, dass wir das Haus zum Jahresanfang kaufen konnten. Das war bis vor wenigen Jahren undenkbar.

DiQ: Und was war Ihr größter Misserfolg?

TR: Dass es uns nicht gelungen ist, das Haus schon früher zu kaufen. Das hat etwas mit wirtschaftlichem und organisatorischem Handeln zu tun. Wir sind für meinen Geschmack zu spät auf die Idee gekommen, die gemeinnützigen Eigenproduktionen von der Betriebs GmbH abzuspalten und das Haus mit einer Stiftung abzusichern.  Wäre uns das früher eingefallen, dann hätten wir uns so manch finanziell schwieriges Jahr ersparen können. 

DiQ: Würden Sie es wieder so machen?

TR: Ja, klar. Weil das Ergebnis jetzt stimmt. Mit mehr als 400 Veranstaltungen im Haus und nahezu 150.000 Besuchern, mit jährlichen Überschüssen und einer unglaublich positiven Energie, die das Haus ausstrahlt, sind wir in der glücklichen Lage, optimistisch in die Zukunft zu schauen.

DiQ: Herr Riehle, gibt es einen Künstler, den Sie bewundern und wenn ja, warum?

TR: Oh, da gibt es viele. Pe Werner ist so eine und ich bin froh darüber, dass wir uns mittlerweile gut kennengelernt haben. Auch Pia Douwes ist eine Künstlerin, die ich sehr schätze und die Unglaubliches für das Genre Musical geleistet hat. Dazu kommen noch Künstler wie der Singer/Songwriter Jonathan Zelter, den ich sehr für seine Musikalität und seine Texte bewundere, oder Peter Maffay, um auch einen größeren Namen zu nennen. Xavier gehört auch dazu, trotz seiner für mich schwierigen Grenzziehung von Meinungsfreiheit. Ich bin froh, dass ich mit ihm nach wie vor im Austausch stehe und ich ihm meine Sicht der Dinge auf seine Texte und sein Verhalten mitteilen kann.

DiQ: Das Capitol feiert Ende Dezember seinen 90. Geburtstag. Was können Sie uns hierzu schon verraten?

TR: Ich kann eine große Geburtstagsparty mit vielen tollen Leuten ankündigen. Am 30.12. wurde das Haus vor genau 90 Jahren eröffnet, und das wird selbstverständlich groß gefeiert! Eigentlich feiern wir ja schon das ganze Spätjahr über, aber dieser Tag wird natürlich ein besonderer Tag werden! Amokoustic wird den Abend eröffnen – hinter diesem Unplugged-Projekt steckt die Mannheimer Band Amokoma. Rino Galiano und Band zusammen mit den Capitol All Stars formieren sich neu zu „Miss Sophie“; mit Banks & Rawdriguez huldigen wir der Party-Vergangenheit des Hauses und im Casino spielen bei Akustik-Sessions Mitglieder des Capitol-Ensembles und verschiedene Comedy-Acts im kleineren Rahmen – mit dabei sind hier u.a. Jonathan Zelter, BollWerk, Angelina Bell, Lena Liebkind und Giuseppe Miceli.

DiQ: Auf was darf man sich in der Zukunft im Capitol Mannheim freuen, was sind die Highlights für das Jahr 2018?

TR: Das absolute Highlight wird das Haus selbst, wenn wir nach zehnwöchigem Umbau am 31. August wieder öffnen und der Saal in neuem Glanz erstrahlt. Das wird alles, was wir im Programm machen, absolut toppen! 

DiQ: Herr Riehle, vielen Dank für das Gespräch – und zum Jubiläum natürlich herzliche Glückwünsche! 

 


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