Leben im Delta
Marchivum: Stadtgeschichte(n) multimedial erleben
„Es wird spektakulär“, verspricht der Direktor des Marchivum, Prof. Ulrich Nieß, wenn er über die neue stadtgeschichtliche Ausstellung seines Hauses berichtet, denn die über 400-jährige Stadtgeschichte Mannheims wird hier auf einzigartige multimediale und interaktive Weise erlebbar sein. Die Präsentation erstreckt sich auf mehr als 500 Quadratmetern Ausstellungsfläche im eigens dafür umgebauten Erdgeschoss und reicht von den Anfängen der Stadt bis in die Gegenwart. Bereits der Auftakt der Schau ist eindrucksvoll: Wie im Zeitraffer lässt ein Stadtmodell mit dreidimensional wirkenden Projektionen Mannheims Geschichte lebendig werden. Begleitend dazu überziehen wandelnde Bilderwelten die Wände. Der nächste Raum erinnert an die Anfänge Mannheims als Dorf an zwei Flüssen und an die Gründung 1606/07 als Festungsstadt. Auf witzige Weise begegnet uns hier die wichtigste Quelle des 17. Jahrhunderts: Die Ratsprotokolle nehmen virtuell-lebendig Gestalt an und erzählen Geschichten aus dem Alltag der jungen Stadt. Neueste Forschungen über das „Mannheimer Experiment“, als die Stadt Menschen aus allen Ländern anlockte, werden anschaulich präsentiert. Wie viele Häuser um 1660 hatten französische oder niederländische Besitzer? Und wie sah es kurz vor 1689 aus, als die Stadt von den Truppen des Sonnenkönigs Ludwig XIV. völlig zerstört wurde?
Das 18. Jahrhundert repräsentieren in einer digitalen Animation die für Mannheim wichtigsten drei Kurfürsten, Johann Wilhelm, Karl Philipp und Karl Theodor. Sie reden mit- und übereinander und rühmen sich ihrer Taten für Mannheim. Johann Wilhelm verweist darauf, dass er die Stadt nach der Zerstörung ab 1697 wiederaufgebaut habe. Karl Philipp betont, Mannheim 1720 zur blühenden Residenzstadt erhoben zu haben, während sein Nachfolger Karl Theodor den europaweit ausstrahlenden Kulturglanz unter seiner Herrschaft hervorhebt. Die wissenschaftlichen Leistungen jener Epoche können die Besucherinnen und Besucher an einem Medientisch erkunden: Hier werden Entdeckungen von Forschern und Gelehrten im Bereich der Naturwissenschaften vorgestellt, aber auch die Experimentierfreudigkeit in den Bereichen Kunst und Theater aufgezeigt. Barocke Putten weisen den Weg in die Welt des Pterodaktylus antiquus, der Mannheimer Schule und vieles mehr. Die Schattenseite jener Epoche wird durch Einzelschicksale im Zucht- und Waisenhaus vermittelt.
Das 19. Jahrhundert veranschaulicht eine große Collection Wall, an der man zentrale Entwicklungen dieser Umbruchszeit erkunden kann. Mannheims Weg als badische Handels- und Industriestadt, die zunehmende Bedeutung von Bürgertum, Frauen und Arbeiterbewegung – nicht nur in der Revolution 1848/49 – kommen ebenso zur Sprache wie das geradezu „amerikanische Wachstum“ zur Groß- und Einwanderungsstadt um 1900. Zudem wartet diese Sektion mit einem ganz besonderen Highlight auf: Ein Benz-Automobil bietet die Gelegenheit, eine virtuelle Stadtrundfahrt durch das Mannheim vergangener Tage zu unternehmen. Drei Jahre nach der Erfindung des Automobils wurde der Wasserturm am Friedrichsplatz fertiggestellt, und selbstverständlich ist auch ihm eine interaktive Ausstellungseinheit gewidmet.
Den Bruch in der Aufwärtsentwicklung Mannheims markiert der Erste Weltkrieg. Eine Raumprojektion mit historischen Dokumenten zeichnet die Kriegsauswirkungen auf Mannheim und seine Menschen eindrucksvoll nach. Im Anschluss daran rücken die weiteren Zäsuren, Auf- und Umbrüche, aber auch Kontinuitäten des 20. und 21. Jahrhunderts ins Blickfeld. Die verheerende Zerstörung Mannheims im Zweiten Weltkrieg führte die Stadt an die Grenzen ihrer Existenz. Wie gelang der Wiederaufbau und wie veränderte er das Stadtbild? Wie verlief die politische, wirtschaftliche oder kulturelle Entwicklung? Welche Auswirkungen hatte die Nachkriegszeit und was zeichnet die Stadt heute aus? Antworten darauf gibt eine imposante Collection Wall, an der die Besucherinnen und Besucher auf gezielte Spurensuche oder spontane Entdeckungstour geben können. Am Ende des Rundgangs wird in einer weiteren Inszenierung der Blick auf Einzelpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts und ihre Geschichte gelenkt. Zudem erzählen Mannheimerinnen und Mannheimer über ihren Heimat-Stadtteil, gilt doch die Quadratestadt immer auch als Stadt der Vororte. Die abwechslungsreiche, multimediale Schau endet in der Gegenwart und ihrer Vielfalt, im Mannheim von hier und heute.