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Leben im Delta

Match Rider GO

Match Rider ist ein Startup aus Heidelberg, das mit „MatchRiderGO“ Mitfahrgelegenheiten anbietet und dabei auf Kurzstrecken und insbesondere auf Pendelverkehre fokussiert. Der Ansatz ist ähnlich zum öffentlichen Nahverkehr, da feste Routen mit festen Haltestellen (Match Points) bedient werden. Diese sind besonders gut zum Ein-und Aussteigen geeignet, da sie gut erreichbar sind, sodass keine extra Umwege gefahren werden. Entlang viel befahrener Pendlerrouten werden Fahrer für das bezahlt, was sie ohnehin schon tun – zur Arbeit fahren. 5-10 Cent erhalten sie pro Kilometer – unabhängig davon, ob die Fahrt gebucht wird oder nicht. Die Mitfahrer zahlen Preise, die dem des ÖPNV entsprechen oder sogar darunter liegen (15 Cent pro km). Mehr dazu im Interview! 

Delta im Quadrat: Was und wer steckt hinter der Idee von MatchRiderGO? Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Dr. Benedikt Krams: Die Geschäftsidee hatte unser Geschäftsführer Alfred Swartzbaugh, als er einmal wieder im Stau stand: Er drehte seinen Kopf nach rechts und links und stellte fest, dass in allen Fahrzeugen nur eine Person saß. Tatsächlich ist es auch so, dass der durchschnittliche Besetzungsgrad von Fahrzeugen im Berufsverkehr bei 1,1 liegt. Pendler sehen sich großen Belastungen auf dem Weg zur Arbeit ausgesetzt. Die Fahrerei nimmt immer mehr Zeit in Anspruch, ist stressig und dazu noch teuer. Auf der anderen Seite sehen sich immer mehr Städte konfrontiert mit Luftverschmutzung, Raummangel und einer hohen Lärmbelastung durch zu viel Verkehr. Alfie wusste, dass es für diese Probleme eine softwareseitige Lösung geben musste. Letztlich wurde so die Idee für MatchRiderGO geboren. Alfie holte sich dann tatkräftige Unterstützung von Katina Schneider, die bei uns für das Business Development zuständig ist, und von Frank Anders, der die Finanzen verantwortet. Ich persönlich habe das Team 2017 in der Rolle des Partnermanagements ergänzt. Ich pflege u.a. Kontakte zu den wichtigsten Multiplikatoren in den jeweiligen Regionen. Wir vier bilden das Managementteam von Match Rider und werden durch weitere Kolleginnen und Kollegen unterstützt.

DiQ: Wie funktioniert die App genau? Wie kann man sich einen Anwendungsfall vorstellen?

BK: Der grundsätzliche Ansatz ist, freie Sitzplätze in Autos von Menschen, die ohnehin mit dem Pkw zur Arbeit pendeln, zu Hauptverkehrszeiten zu füllen. Dadurch sind insgesamt weniger Autos auf den Straßen unterwegs und Stau wird vermieden. Um Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken attraktiv zu gestalten, ist es wichtig, die Umsetzung für Fahrer und Mitfahrer verbindlich, pünktlich und so einfach wie möglich zu gestalten. Deshalb konzentrieren wir uns auf feste Routen mit festen Haltepunkten, die in einem attraktiven Takt zu Stoßzeiten bedient werden. Die Apps setzen diesen Ansatz um und es gibt diese für iOS und Android, sowohl eine Fahrer- als auch eine Mitfahrer-App. In diesen Apps sind die verschiedenen Routen hinterlegt, die wir anbieten. Als Nutzer wähle ich eine Route aus und teile mit, an welchem Haltepunkt ich ein- und aussteigen will. Der Fahrer erhält eine Bestätigung, dass er gebucht wurde und weiß so, wo er den Fahrgast abholen muss. Über die Ortung des Fahrers mit GPS können die Mitfahrer sehen, wo sich der Fahrer gerade befindet. Dies hat den Vorteil, dass der Mitfahrer bei Verspätungen des Fahrers die Verzögerung abschätzen und die verbleibende Zeit sinnvoll nutzen kann. Als Bezahlsystem haben wir in der App ein Lastschriftverfahren etabliert. Dies bietet den Kunden Sicherheit, da Lastschriften auch zurückgegeben werden können. Eine unserer Nutzerinnen, nennen wir sie Marta, wohnt z. B. in Wiesenbach und pendelt täglich in das Neuenheimer Feld in Heidelberg. Sie muss mit Bus und Bahn bis zu dreimal umsteigen, braucht durchschnittlich 70 Minuten Tür zu Tür und hat nur jede halbe Stunde eine vernünftige Anbindung. Die Fahrt hin und zurück kostet mit Einzeltickets 8,20 Euro. Deswegen fährt Marta bisher lieber mit dem eigenen Auto zur Arbeit. Mit MatchRiderGO kann sie jetzt das Auto zuhause lassen, aber bleibt schnell und flexibel – und reduziert ihre Kosten. Sie hat eine 10-minütige Taktung morgens und abends und muss nur einmal umsteigen. Die Fahrt kostet sie 6 Euro hin und zurück.

DiQ: Was ist das Besondere an MatchRiderGO? Was unterscheidet euch von populären Anbietern wie BlaBlaCar?

BK: Mitfahrgelegenheiten funktionieren in Europa sehr gut im Freizeitverkehr auf Langstrecken (z. B. am Wochenende zwischen Großstädten), aber noch nicht für Kurzstrecken, die den meisten Verkehr und Stau verursachen. Bei Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken benötigt man zunächst ein zuverlässiges und regelmäßiges Angebot, damit sich die Nachfrage darauf aufbauend kontinuierlich entwickeln kann. Wir bauen dieses Angebot auf, indem wir verbindliche Mitfahrgelegenheiten zu festen Zeiten gewährleisten. Entlang vielbefahrener Pendlerrouten werden Fahrer mit 10 Cent pro Kilometer vergütet für etwas, was sie ohnehin schon tun: zur Arbeit fahren. Die Bezahlung erfolgt unabhängig davon, ob die Fahrt gebucht wird oder nicht! Wir bekommen so zum Beispiel morgens in einem Zwei-Stunden-Zeitraum einen Zehnminutentakt hin. Dieser Takt ist für die Mitfahrer gleich mehrfach attraktiv: Ich muss morgens nicht immer mit dem gleichen Fahrer zur Arbeit fahren, sondern habe eine Auswahlmöglichkeit. Und ich weiß sicher, dass ich Montag bis Freitag mit MatchRiderGO zur Arbeit komme und auch wieder nach Hause.

DiQ: Wo ist die App verfügbar? Welche Städte wurden bisher erschlossen?

BK: Momentan können Fahrten in der Region Stuttgart und der Rhein-Neckar-Region auf drei Strecken gebucht werden. Für die Strecken, auf denen wir momentan in Heidelberg aktiv sind, haben wir einen Auftrag der Stadt Heidelberg erhalten. Wir haben die verschiedenen Haltepunkte der Routen mit der Stadt abgestimmt. Darüber hinaus werden wir mit Marketingmaßnahmen unterstützt, was für uns sehr wichtig ist. So können wir schnell unser den ÖPNV ergänzendes Angebot aufbauen.

DiQ: Seit wann gibt es die App?

BK: Die Fahrer- und Mitfahrer-Apps für iOS und Android sind seit Mai 2016 mit Fahrten in der Region Stuttgart verfügbar. Seit Herbst 2017 bauen wir unser Angebot hier in der Rhein-Neckar-Region auf.

DiQ: Wie viele aktive Nutzer hat die App aktuell? Wieviele Fahrten wurden bisher über die App gebucht?

BK: Auf unserer aktiven Strecke zwischen Stuttgart und Tübingen haben wir zwölf Fahrer, die verbindlich für uns fahren. Die meisten davon sind Einpendler in die Region Stuttgart. Wir haben 3.500 registrierte Nutzer, die durchschnittlich ein- bis viermal am Tag eine Fahrt buchen. Wir freuen uns besonderes darauf, dass wir die ersten Stammkunden gewonnen haben, die regelmäßig bei uns mitfahren. In Heidelberg haben wir derzeit sieben Fahrer. Wir möchten diese Zahl gerne noch verdoppeln und suchen derzeit weitere Fahrer. Sobald wir etwa zwanzig Fahrer gewonnen haben, wird das Angebot für Mitfahrer in der App verfügbar. 

DiQ: Was haben Sie und Ihre Kollegen vor MatchRiderGO gemacht?

BK: Alfie ist ein erfahrener Datenbankexperte und war als Entwickler und Projektleiter für private und öffentliche Institutionen tätig. Katina hat für einen nachhaltigen Reiseveranstalter gearbeitet und hat seit elf Jahren eine eigene Firma, die anthropologische Forscher mit der Bearbeitung von Interviews unterstützt. Frank hat als Personal- und Betriebsleiter für ein Restaurant gearbeitet und sich als GIS-Techniker weitergebildet. Ich selbst habe bis Ende 2016 als akademischer Mitarbeiter und Doktorand an der Universität Stuttgart am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik II gearbeitet. Meine Dissertation im Kontext nachhaltiger Mobilität befasst sich u.a. mit der Bewertung von Mobilitätskonzepten in ländlich geprägten Räumen mit elektrisch betriebenen Vans und Minibussen. 

DiQ: Was sind nun die nächsten Entwicklungsschritte und Ziele?

BK: Kurzfristig ist eine „Monatskarte“ geplant. Wir möchten, dass die Nutzer regelmäßig mit uns fahren und uns wirklich als verbindliche Alternative wahrnehmen, um zur Arbeit und zurück zu kommen. Darüber hinaus ist geplant, unsere bereits aktiven Strecken in Stuttgart und Heidelberg zu einem Streckennetz weiter auszubauen. Konkret streben wir neben der Erschließung der Region Stuttgart auch die Erschließung der gesamten Region Rhein-Neckar an. Mittelfristig verfolgt Match Rider das Ziel, MatchRiderGO in weiteren Metropolregionen Deutschlands auszubauen und deutschlandweit verfügbar zu machen.

 


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