Leben im Delta
Speicher7 Mannheim
Einst lagerte hier Korn, heute beherbergt der ehemalige Getreidespeicher im Mannheimer Hafengebiet nur wenige hundert Meter von den Quadraten entfernt ein Designhotel, dessen angeschlossene Bar (Rheinvorlandstr. 7, www.speicher7.com) zu einer der besten Adressen in Mannheim zählt und mit einer exquisiten Getränkekarte aufwartet. Genießen lassen sich die Drinks bei passendem Wetter auch draußen – direkt am Rheinufer mit Blick gen Ludwigshafen.
Delta im Quadrat, Tim Fischer: Hallo Andre, vielen Dank, dass du dir heute Zeit für unser Interview genommen hast. Bitte stelle dich einmal kurz unseren Lesern vor!
Andre Wehsling: Ich bin Andre, bin 29 Jahre alt und der Bar-Manager der Speicher7 Hotelbar. Ich wohne seit fünf Jahren in Mannheim und hinter dem Tresen stehe ich inzwischen sechs Jahre. Ursprünglich hatte ich eine Ausbildung bei einem Automobilhersteller abgeschlossen, habe aber schnell gemerkt, dass mir diese Arbeit zu langweilig ist. Mit einem Nebenjob wollte ich darum ein bisschen Abwechslung in meinen Alltag bringen und bin zunächst an einer Garderobe eines Clubs gelandet. Kurz darauf wurde ich gefragt, ob ich nicht auch mal ein paar Barschichten übernehmen könnte. Es hat nicht lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass ich dort genau richtig bin! Also habe ich angefangen, mir sehr viele Bücher über Barkultur zu kaufen und zu lesen, bis ich dann irgendwann beschloss, meinen Job zu kündigen und in Vollzeit an der Bar zu stehen. Im Speicher7 bin ich seit Mai 2015. Eigentlich wollte ich eine Vollzeitstelle in der Bar, in der ich zu der Zeit gearbeitet habe, annehmen. Da mir das Geld dort wahrscheinlich nicht gereicht hätte und ich nicht so ganz zufrieden mit der Qualität der Drinks dort war, habe ich mich nach einem Nebenjob umgeschaut. Da ist mir natürlich sofort der Speicher7 eingefallen, da ich wusste, dass die Leute dort ausgefallene Drinks machen und ich dort sicher noch was lernen könnte. An dem Abend, als ich meine Bewerbung abgegeben habe, hatte ich ein wirklich tolles Gespräch mit dem dortigen Personalchef Marc, und wie der Zufall es so will, hatte der damalige Bar-Manager gerade gekündigt. Meine beiden Vorgesetzten und Marc gaben mir dann zu verstehen, dass sie diese Stelle gerne mit mir besetzen würden und so habe ich dann im Speicher7 angefangen.
DiQ: Was ist für dich das Besondere am Speicher7 und deiner Arbeit dort? Welche Philosophie steckt hinter deinen Drinks und Kreationen? Hast du einen eigenen Signature Drink?
AW: Das Besondere im Speicher7 ist auf jeden Fall die Atmosphäre. Wir wollten eine Art öffentliches Wohnzimmer erschaffen, in dem es trotzdem gehobenen Service und gute Drinks gibt. Wir duzen alle unsere Gäste, egal ob langjähriger Stammgast oder Speicherfrischling. Dadurch, dass wir ein bisschen versteckt am Hafen sind, haben wir eher weniger Laufkundschaft. Jeder, der zu uns in den Speicher kommt, tut das, weil er genau an dem Tag zu uns kommen möchte. Und das merkt man. Meine Philosophie ist, dass wir jeden Gast so behandeln, als wäre er ein guter Freund mit dem du gerade bei dir zuhause auf der Couch ein Bier oder einen Wein trinkst. Diese Philosophie macht sich auch bei unseren Drinks bemerkbar. Wir versuchen, Klassiker oder Spirituosen zu nehmen, die unsere Gäste bereits kennen, und damit Abwandlungen zu schaffen, sodass sie langsam an die neue Barkultur rangeführt werden. Am liebsten verwende ich frische Kräuter, selbstgemachte Sirups, Essenzen und Liköre. Generellfinde ich es ratsam, so viel wie möglich frisch und selbst zu machen. Da ich selber am liebsten Old Fashioned und Negroni trinke, beruhen viele meiner Drinks auf derenGrundgerüst.
DiQ: Was sind für dich derzeit die größten Trends in der Welt der Cocktails?
AW: Immer mehr Menschen interessieren sich für die Dinge, die sie essen und trinken. Ganz oft fragen mich Gäste inzwischen, ob sie mal die Flasche der Spirituose, die sie22
gerade trinken, sehen dürfen. Der „trinkgebildete“ Gast wird immer mehr die Regel. Und das sagt mir, dass wir, aber auch meine Kollegen aus Mannheim und der Region,gute Arbeit leisten. Außerdem wird viel mehr auf Frische, Regionalität und die Umwelt geachtet als noch vor einigen Jahren. Gefühlt habe ich letztes Jahr fünf Alternativen zu Plastiktrinkhalmen vorgestellt bekommen. Das ist natürlich nur ein kleiner Beitrag, aber die Umwelt zu schonen ist auf jeden Fall im Trend.
DiQ: Welche winterlichen Drinks erwarten aktuell deine Gäste?
AW: Im Winter werden wir viel mit Rum, Cognac und Whiskey machen. Auch werden winterliche Gewürze wie Tonkabohne, Zimt, Nelken oder Sternanis nicht zu kurz kommen. Ab Februar wird es zum Beispiel einen mit Walnüssen verfeinerten Whiskey geben, den wir dann in einem Whiskey Sour oder ähnlichem anbieten.
DiQ: Erfährt die Barkultur in Deutschland aktuell eine Renaissance? Und wenn ja, was sind aus deiner Sicht die Gründe dafür?
AW: Auf jeden Fall! Und das liegt unter anderem, wie ich gerade schon angesprochen habe, auch an unseren Gästen. Es besteht viel mehr Interesse an ausgefallenen Drinks und so wird die Caipirinha-Bestellung immer seltener. Immer öfter weiß der Gast, welchen Gin er zum Beispiel am liebsten trinkt und wie er diesen dekoriert haben möchte. Außerdem haben wir als Mixologen durch die Erschließung von Techniken der gehobenen Gastronomieküche viel mehr Möglichkeiten als noch vor ein paar Jahren – beispielsweise, Sirups oder Infusionen von Spirituosen mit Hilfe des Sous-Vide-Verfahrens zu kreieren. Außerdem gibt es natürlich viel mehr zugängliche Lektüre sowie das Internet, um sich über neue Produkte, Bars oder Arbeitstechniken zu informieren.